*Der Beitrag spiegelt die persönliche Meinung des Autors wider und entspricht nicht zwangsweise der Meinung der VDW.
„Durch die Digitalisierung entwickelt sich eine neue Kulturtechnik – der kompetente Umgang mit digitalen Medien –, die ihrerseits die traditionellen Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen ergänzt und verändert.“ („Strategie der Kultusministerkonferenz – Bildung in der digitalen Welt“, KMK Berlin 2016, www.kmk.org).
„Dazu kommen die Dynamiken der Medien und der digitalen Welt, die, wenn sie sich in eine Allgegenwart verwandeln, nicht die Entwicklung einer Fähigkeit zu weisem Leben, tiefgründigem Denken und großherziger Liebe begünstigen. (…) Das verlangt von uns eine Anstrengung, damit diese Medien sich in einer neuen kulturellen Entwicklung der Menschheit niederschlagen und nicht in einem Verfall ihres innersten Reichtums.“ (Enzyklika Laudato si’ von Papst Franziskus)
Die neuen mobilen digitalen Medien wie Smartphones und Tablets sind heute allgegenwärtig. Die Möglichkeiten dieser Geräte sind scheinbar grenzenlos, zugleich werden die Gefahren und Risiken gerade für junge Menschen deutlich. Am Ende kommt es darauf an, den richtigen Weg zu finden, welche Funktionen der Geräte zu welchem Zweck, und bei jungen Menschen in welchem Alter sinnvoll genutzt werden sollten. In diesem Spannungsfeld ist es gerade im Schulumfeld wichtig, sinnvolle Möglichkeiten auszuloten und neue Kulturtechniken zu etablieren ohne dabei die Gefahren zu ignorieren.
Das Projekt THGmediA
Das Projekt THGmediA wurde Anfang 2015 am Theodor-Heuss-Gymnasium in Hagen mit dem Ziel gestartet, mobiles und effizientes digitales Arbeiten für Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer zu ermöglichen. Lernen mit modernen digitalen Medien soll in schulische Lernprozesse integriert werden, um die Medienbildung zu fördern und die Schülerinnen und Schüler auf die zukünftige Lebenswelt in Beruf und Studium vorzubereiten. Gemeinsam mit Lehrern, Eltern und Schülern wurde ein Konzept entwickelt, das von der Schulkonferenz einstimmig als konzeptioneller Baustein in das Schulprogramm aufgenommen wurde.
Die Komponenten von THGmediA
(1) Der Aufbau der notwendigen schulischen Infrastruktur zur Nutzung mobiler digitaler Endgeräte ist wesentliche Voraussetzung. Neben der Installation einer professionellen WLAN-Infrastruktur ist besonders die Installation von Decken-Beamern in Kombination mit geeigneten Empfangsgeräten (Apple-TV) zur Visualisierung in möglichst vielen Klassen- und Fachräumen ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Der Ausbau mit Beamern ist am THG schrittweise unter Nutzung des jährlichen IT-Budgets erfolgt und inzwischen weitgehend abgeschlossen. Die WLAN-Infrastruktur konnte durch Spenden von Eltern und Sponsoren realisiert werden.
(2) Während an einigen Schulen Tablet-Wagen eingesetzt werden, die nur vereinzelt im Unterricht benutzt werden, setzt das THG mit großem Erfolg auf schülereigene Tablets („Bring-Your-Own-Device“). Dabei ist es Schülerinnen und Schülern der Oberstufe gestattet, eigene Tablets im Rahmen von vereinbarten Nutzungsbedingungen im Unterricht zu verwenden. Die Einschränkung auf die Oberstufe ist bewusst gewählt, da die Risiken mit zunehmendem Alter abnehmen, während der Nutzen steigt. Außerdem liefern die Erfahrungen mit der Oberstufe wichtige Erkenntnisse für eine mögliche schrittweise Ausweitung auf andere Jahrgangsstufen. Im aktuell neuen Jahrgang der Oberstufe (Einführungsphase) nutzen bereits zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler Tablets im Unterricht. Über 80 % der Oberstufenschüler mit Tablet empfehlen die Anschaffung eines Tablets an ihre Mitschüler weiter. Für Schülerinnen und Schüler aus finanzschwachen Familien stehen Leihgeräte zur Verfügung.
(3) Lehrerinnen und Lehrern mit Tablet wird es ermöglicht, schnell und unkompliziert multimediale Inhalte zu präsentieren, Arbeitsergebnisse von Schülerinnen und Schülern zu visualisieren oder mitten in der Klasse stehend auf dem Tablet als digitale Tafel zu schreiben und dies per Beamer für alle sichtbar zu machen.
Das Tablet als moderne Schiefertafel
Nach den vielen technischen Revolutionen in Schulen vom Sprachlabor bis zu Laptop Klassen mit überschaubarem Erfolg stellt die Entwicklung der Tablets einen echten Quantensprung dar. Das liegt daran, dass die Geräte sofort und zuverlässig im Unterricht nutzbar und extrem flexibel einsetzbar sind und ihre Bedienung sehr intuitiv ist. Als erster Nutzen fällt zunächst die Verwendung digitaler Schulbücher ein, um die schwere Schultasche abzulösen. Hier ist kritisch anzumerken, dass es sich heute meist um digitale Kopien der Papier-Schulbücher handelt, aber die echten interaktiven Möglichkeiten eines digitalen Schulbuches noch am Anfang stehen. Mit dem Tablet erwerben die Schülerinnen und Schüler wichtige Kompetenzen, wie die effiziente digitale Aufbereitung von Arbeitsergebnissen als Präsentation oder Video, der sichere Umgang mit Office-Programmen, die Optimierung der eigenen Arbeitsorganisation oder die zielgerichtete Internet-Recherche. Viele der unzähligen Bildungs-Apps bieten für die verschiedenen Fächer interessante neue Lehr- und Lernmöglichkeiten. Als ein Beispiel sei die kostenfreie App „phyphox“ der RWTH Aachen erwähnt, mit der die Sensoren der mobilen Geräte für naturwissenschaftliche Fragestellungen verwendet werden können. So ist die Messung der Zentripetalbeschleunigung auf einem Kirmeskarussell spannender als eine Messung durch die Apparate der Lehrmittelfirmen im Fachraum. Aber als wesentlicher Qualifikationsvorsprung hat sich die digitale Arbeitsmappe und das digitale Mitschreiben per Stift erwiesen. Wie der Übergang von der Schiefertafel zum Schulheft könnte am Ende das Schulheft durch das Tablet ersetzt werden. Als großer Vorteil hat sich die Kombination des handschriftlichen freien Schreibens oder Zeichnens mit der Möglichkeit erwiesen, den geschriebenen Text oder die Skizze zu verschieben, zu kopieren oder einzufärben. Das Einfügen von Ausschnitten aus Schulbuchseiten (z.B. Aufgaben oder Skizzen), Fotos von Tafelbildern, Texten oder Bildern aus dem Internet oder Arbeitsblättern in die eigene Mitschrift führt zu einem eigenen Lernprodukt, das mit klassischen Methoden nicht erreichbar ist. Einige Beispiele solcher Lernprodukte finden sich in der Abbildung unten.
Klicken Sie auf das Bild für eine vergrößerte Ansicht. Für eine pdf-Ansicht der einzelnen Arbeitsmappen, klicken Sie hier.
Lessons Learned
Eine der wichtigsten Erkenntnisse des Projektes ist es, dass es bei einem Thema wie digitale Medien in Schulen darauf ankommt, alle beteiligten Gruppen und vor allem die unterschiedlichen Sichtweisen in sachlichen und offenen Diskussionen für einen gemeinsamen Weg zu gewinnen. Das ist ein mühsamer und langer Weg, aber der einzig dauerhaft erfolgsversprechende.
Abschlussbemerkung
Unter den neuen Rahmenbedingungen der Kultusministerkonferenz vom 08.12.2016 erscheint das mit einer Vision für eine moderne digitale Schule gestartete Projekt THGmediA als potenzielles Modellprojekt, da es die von der KMK vorgeschlagenen Konzepte schon in vielen Teilen umgesetzt hat. Darüber hinaus gibt es aber noch viel weiterzuentwickeln, wie die wichtige Vermittlung inhaltlicher Medienkompetenz oder die mögliche Ausweitung auf andere Jahrgangsstufen.