*Der Beitrag spiegelt die persönliche Meinung des Autors wider und entspricht nicht zwangsweise der Meinung der VDW.
Angewandte Gesundheitswissenschaften müssen sich bei der nachhaltigen Verbesserung der Lebensbedingungen für alle BürgerInnen im Alltag in den Städten und Dörfern bewähren.
Die unkritisch-eindimensionale Ausrichtung der medizinischen Forschung und Praxis auf technische Eingriffe in die Mikrostrukturen der menschlichen Körper hat sich zu einer Gefahr für die Gesundheit der Menschen entwickelt. „Medical Error“ wird in den USA inzwischen als dritthäufigste Todes-Ursache genannt.
Für Deutschland fehlen entsprechende Erhebungen und in der ärztlichen Leichenschau ist eine entsprechende Angabe nicht vorgesehen. Es fehlt auch ein wirksames Beobachtungs- und Berichtssystem zu den Nebenwirkungen von Arzneimitteln nach ihrer Zulassung oder zu den Nebenwirkungen der vielfältigen Impfungen, die neuerdings zur staatsbürgerlichen Duldungs-Pflicht für Kinder und ihre Eltern erklärt werden. Es fehlen damit unabhängig aufklärende Voraussetzungen, um zu vertrauensgestützten lernfähigen Entwicklungen zu kommen, ergebnisoffen Alternativen und andere Wege und Methoden gemeinsam zu erwägen und die beteiligten Personen in notwendige Abwägungsprozesse verantwortlich einzubeziehen.
Ich bin überzeugt, dass der Anspruch der medizinisch Tätigen, wissenschaftlich, persönlich und gesellschaftlich verantwortlich zu verfahren, dringend eine neue öffentliche Grundlegung benötigt. Die VDW kann dazu als engagierte Wegbereiterin einen wesentlichen Beitrag leisten.
Wissenschaftliche Verantwortung zeigt sich in einer kritischen Offenheit gegenüber möglichen Fehleinschätzungen in den gewählten Methoden und Handlungsweisen. Eine derartige wissenschaftliche Verantwortung muss bei großen sozialen Systemen, die sich in ihrem ökonomischen und machtpolitischen Eigensinn verstrickt haben, häufig durch eine verantwortungsbewusste gesellschaftliche Umwelt eingefordert werden. Diese zivilgesellschaftliche Forderung ist in der aktuellen Umbruch-Phase des zeitgenössischen Kapitalismus offenkundig bei vielen aus der Industriegesellschaft des 19. Jahrhunderts tradierten sozialen und wirtschaftlichen Systemen notwendig. In ihren Institutionalisierungsformen haben sie häufig die Lernfähigkeit und Bereitschaft verloren, sich auf veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen und neue Wertvorstellungen einzustellen.
Prototypisch dafür ist in Deutschland die Entwicklung der Energieindustrie gewesen, bei der nur durch öffentliche Massenproteste sowie durch größere Katastrophen, die Entwicklung von technischen Alternativen und durch neue parlamentarische Mehrheiten der Einstieg in eine „Energie-Wende“ gelingen konnte. Angesichts der katastrophalen ökologischen und gesundheitlichen Nebenwirkungen sind inzwischen auch für die Fortschreibungen der tradierten Fortschrittsmythen im Bereich der industrialisierten Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft und des automobilen Individualverkehrs eine „Agrar- und Ernährungswende“ bzw. eine „Mobilitäts-Wende“ im Kontext globaler Nachhaltigkeitspolitiken gesellschaftlich unabweisbar geworden.
Die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um Umfang, Tempo und die konkrete Ausgestaltung dieser Wenden werden zwar noch 2-3 Generationen beschäftigen. Immerhin sind aber mit der „Agenda 2030 der UN Sustainable Development Goals“ aus dem Jahr 2015 und den Beschlüssen zu Klimaschutzzielen der Konferenz in Paris inzwischen globale Zielvorstellungen verankert worden, die auch politische und ökonomische Konsequenzen gegenüber einem verantwortungslosen wirtschaftlichen Eigensinn vermitteln können.
Angesichts der „Durch-Ökonomisierung“, Industrialisierung und der angekündigten Digitalisierung des Krankheitswesens ist auch für dieses tradierte soziale System der Industriegesellschaft des 19. und 20.Jahrhunderts eine grundlegende Neubestimmung sinnvoller und nachhaltiger Funktionsbestimmungen zur Erhaltung und Förderung menschlicher Gesundheit und zur Behandlung und Vermeidung von Krankheiten notwendig.
Die Funktionen und Leistungen eines künftigen Gesundheitswesens müssen mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickelt und auf deren alltägliche Bedarfe ausgerichtet werden, denn „Gesundheit entsteht und vergeht im Alltag der Menschen, dort wo sie leben und lieben, arbeiten und spielen“ (Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung der WHO). Orte der gesundheitlichen Unterstützung sind daher primär die sozialen Lebenswelten des Alltags und im Mittelpunkt der praktischen Gesundheitsarbeit im Alltag stehen die gesellschaftlich und ökonomisch völlig unterbewerteten Pflege- und Sorgearbeiten in Familien, Kitas, Heimen und vielfältigen sozialen Einrichtungen, die zu 80 Prozent von Frauen erledigt und vergleichsweise gering bis gar nicht bezahlt werden.
Das künftige Gesundheitswesen wird präventiv orientiert sein und nach den Vorstellungen der WHO ein integraler Teil von „Healthy Cities“ sein, d.h. einer nachhaltig gesundheitsfördernden Stadtgestaltung. Exemplarisch ist dies in zwei kanadischen Videos zu einer neuen öffentlichen Gesundheitspolitik in den Städten und Gemeinden zusammengefasst worden:
www.youtube.com/watch?v=q-3mUiGi6bA
www.youtube.com/watch?v=0kcQ4JQyqek
Wie weit wir in Deutschland davon entfernt sind, wird in den Prioritätensetzungen der „High Tech“-Strategie zur Gesundheitsforschung des BMBF (www.ptj.de/gesundheitsforschung) und der weitgehend fehlenden Präventionspolitik des Bundesministeriums für Gesundheit gegenüber den „Zivilisationskrankheiten“ deutlich, die auch für Deutschland im Rahmen der SDG Agenda 2030 durch den UN-Beschluss zu einem prioritären Handlungsfeld im Gesundheitsbereich werden sollen. Hier hat sich inzwischen eine Allianz von medizinischen Fachgesellschaften gebildet, die gegen dieses Politikversagen in Deutschland öffentlich Stellung nimmt (www.dank-allianz.de).
Wie weit der Weg der Umsteuerung im Krankheitswesen in Deutschland noch ist, wird an den mit Milliardenbeträgen geförderten Bauten großer Kliniken deutlich, die als Kathedralen des medizinisch-industriellen Fortschritts seit dem 19. Jahrhundert errichtet wurden. Beispielhaft für diese zu Ende gehende Epoche ist das Universitätsklinikum Aachen, das bereits in seiner Architektur-Symbolik eine menschenverschlingende und –verarbeitende Maschinerie demonstriert.
PatientInnen und Beschäftigte werden hier zu Anhängseln soziotechnischer und ökonomisch-bürokratisch gemanagter Funktionsabläufe. Die einzelnen Akteure und Beschäftigten sind dabei zu standardisierten Abläufen angehalten, die sie dann als verantwortliche Personen auch beliebig ersetzbar machen. Der Übergang zur medizinischen Robotronik wird hier vorbereitet.
Aachener Klinikum aus der Luft aufgenommen
Der strukturelle Rahmen für die Patientenverwertung durch eine Medizin-Industrie 4.0 ist hier bereits vor 30 Jahren realisiert worden.
Als gesellschaftliches Monument für ein „Haus der Gesundung“ lösen derartige Klinikbauten im 21. Jahrhundert allerdings inzwischen in der Bevölkerung eher ängstliche Verwunderung und Kopfschütteln aus über eine zu Ende gehende gigantomanische Phase der klinischen Medizin, die sich neuerdings als „Präzisions-Medizin“ präsentiert.
Für eine gesellschaftlich anstehende „Gesundheits-Wende“ sind in diesem Zusammenhang zunächst einige ernüchternde öffentliche Klarstellungen notwendig:
Erstens: Die einzige Erkenntnis, die in der Medizin zu 100% evidenzgesichert ist, ist das seit Jahrtausenden empirisch gesicherte Wissen, dass alle Menschen sterben.
Medizinische Erkenntnisse können das Leben zum Tode nicht prinzipiell umkehren und für die Verfasstheit menschlicher Gesellschaften ist dies vermutlich ein Glück und Gottesgeschenk. Diese Erkenntnis lehrt uns Demut gegenüber dem Leben und Solidarität mit leidenden Mitmenschen, auf deren Hilfe wir möglicherweise selbst irgendwann angewiesen sind.
Zweitens: Medizinisches Wissen kann dazu beitragen, die Chancen für einen Lebensverlauf in relativer Gesundheit durch die Gestaltung gesundheitsfördernder Lebensbedingungen für viele Menschen zu verbessern. Die „UN SDG Agenda 2030“ ist Ausdruck für diesen weltweiten Optimismus.
Drittens: Eine ernüchternde Erkenntnis ist, dass der immer wieder gemeldete Anstieg der durchschnittlichen Lebenswahrscheinlichkeit nur zu einem geringen Teil eine Folge des Erfolgs medizinischer Behandlungen ist, sondern in erster Linie die Folge besserer sozioökonomischer, hygienischer und diätetischer Lebensbedingungen und einer inzwischen aktiveren gesundheitlichen Lebenseinstellung vieler Menschen. Da diese Bedingungen aber sozial sehr ungleich verteilt sind, verschleiert der statistische Durchschnitt die tatsächlichen Verteilungen. In Berlin-Wedding sterben z.B. mehr als 25 Prozent der Männer bereits unter 65 Jahren, also vor dem Erreichen des Rentenalters, während die wohlhabenderen Frauen und Männer in Berlin-Dahlem sich in einem wachsenden Prozentsatz auf ein gutes Leben auch noch mit 90 Jahren im Alter freuen können.
Systematisch nicht beachtet wird in der Gesundheitspolitik in Deutschland auch die Tatsache, dass acht von zehn Menschen an sog. „Zivilisationskrankheiten“ vorzeitig chronisch erkranken und sterben (siehe www.alliancechronicdiseases.org). Wesentliche Faktoren für die Entstehung und Entwicklung dieser „Volkskrankheiten“ sind bekannt und präventiv gut beeinflussbar. Dies gilt z.B. für die Herzkreislauf-Erkrankungen, verschiedene Krebsformen, für chronische Atemwegserkrankungen, Diabetes, u.a. Wirksame Interventionen müssten die sozialen, ökologischen und ökonomischen Umweltfaktoren adressieren – von der steuerbegünstigten Tabak- und Alkohol-Werbung für „die kleinen Leute“, der Zucker- und Süßwarenwerbung für Kinder im öffentlichen Fernsehen bis zu den Folgen innerstädtische Individualverkehrs mit subventionierten Dieselautos für „die großen Leute“. Der dramatische Diabetes-Anstieg weltweit ist erkennbar die Folge einer Globalisierung eines „westlichen Lebensstils“ (www.citieschangingdiabetes.com).
Das Bruttosozialprodukt wird in der aktuellen ökonomischen Leistungsbilanz in Deutschland dabei von zwei Seiten befeuert: Vom Verkauf von hochgetrimmten Motorrädern und „Sport“-Autos einerseits und dem Ausbau von Rettungsdiensten, Unfallkliniken und Bestattungsdiensten andererseits; vom Verkauf von hochprozentigem Billigschnaps für das einfach Volk und steuerfreien Edel-Weinen für die gehobenen Lagen einerseits und durch den Aufenthalt in Suchtkliniken mit verschiedenen Preisklassen und Ausstattungsstandards andererseits; durch freien Verkauf von Schmerz- , Schlaf-, Anregungs- und Beruhigungsmitteln und durch den Verkauf von Medikamenten gegen die Nebenwirkungen von chronischem Schmerz-, Schlaf- , Anregungs- und Beruhigungsmittelkonsum.
Diese Entwicklung ist im wörtlichen Sinne „verrückt“ und folgt einem „Wahn-Sinn“, aber ähnlich wie im Umweltbereich oder in der „Finanzindustrie“ folgt auch die „Gesundheitswirtschaft“ dem Prinzip einer wirtschaftlichen Externalisierung von Folgekosten und einer öffentlichen Subventionierung von kompensatorischen Reparaturleistungen.
In dieser ökonomischen Einordnung kann und darf ein Wissen über erfolgreiche Formen der Krankheitsprävention nicht allgemein wirksam werden, da es für die eingespielten Wirtschaftskreisläufe der Krankheitsverwertungswirtschaft geschäftsschädigend wirken würde.
„Die Märkte“ würden in höchste Aufregung geraten, wenn die seit Jahrzehnten stabil gesicherten 12 Prozent und mehr an Rendite für die Tabak-Industrie oder die 6-8 Prozent Rendite für die Pharma-Industrie politisch tangiert würden.
Es ist gar nicht mehr vorzustellen, was passieren könnte, wenn Kinder und Jugendliche in öffentlichen Schulgärten mit Grundlagen des Gartenbaus und der Zubereitung pflanzlicher Nahrungsmittel für gemeinsame, schmackhafte Mahlzeiten vertraut gemacht würden. Wenn sie eine erfahrungsorientierte Gesundheitsbildung in der Schule erhalten könnten, bei der sie sich lebenspraktische Gesundheitskompetenzen für einen selbstbewusst-freundlichen Umgang mit sich selbst, dem eigenen Körper oder mit anderen Menschen aneignen und dadurch weitgehend unabhängig von kompensatorischem Konsum aufwachsen könnten.
Ist es noch vorstellbar, dass sich eine Landesregierung dafür aus bildungs- und gesundheitspolitischen Gründen als Zukunftsinvestition für eine nächste Generation stark macht, nachdem zu erfahren war, dass die Adipositas-Rate bei Jugendlichen in einigen Ländern auf bis zu 50 Prozent gestiegen ist und dies inzwischen mit einer zurückgehenden Lebenswahrscheinlichkeit für Jugendliche verbunden ist?
Mit der Proklamation einer „Gesundheits-Wende“ in Wissenschaft und Politik sind sicherlich nicht alle offenen Fragen sofort zu beantworten, aber die Suche nach besseren Lösungen gewinnt eine neue Richtung. Ähnlich wie in der „Energie-Wende“ die Einsicht von zentraler Bedeutung war, dass die natürliche Energiequelle für das Leben auf der Erde die Sonne ist, und nicht die technische Spaltung von Atomkernen mit kaum kontrollierbaren Nebenfolgen, so wird in der „Gesundheits-Wende“ sich die Erkenntnis erneuern, dass der natürliche Gesundungsimpuls aus der regenerativen Selbstregulationsfähigkeit des intakten Organismus und nicht aus der technischen Spaltung von Zellkernen mit kaum kontrollierbaren Nebenfolgen resultiert.
Der gegenwärtige blinde Fleck der klinischen Medizin – die Bedeutung der Qualität alltäglicher Umweltbezüge für die Entwicklung menschlicher Gesundheit – wird durch die Gesundheits-Wende neu ausgeleuchtet und resozialisiert im Kontext von Gesundheitswissenschaften, die sich mit dem ganzen Leben beschäftigen.
Die erfahrungswissenschaftlichen Erkenntnisse von den Regenerationskräften menschlicher Gesundheit können dabei Bestandteil transdisziplinärer Umweltwissenschaften werden, in denen die systemischen Wechselwirkungen von Sonne, Wasser, Boden und Luft mit der Entwicklung biologischer Organismen auch ein neues Interesse an der Entwicklung biologisch-affiner Gestaltungen menschlicher Umwelten, etwa in der Architektur oder der Stadt- und Landschaftsplanung, freisetzen.
Die Gesundheitswissenschaften befreien sich damit aus der Engführung der Krankenhaus- und klinischen Laborperspektive und beteiligen sich mit ihrem kreativen Potential an sozialökologischen Transformationen für suffiziente Rahmenbedingungen guter und gerechter Lebens- und Entfaltungsmöglichkeiten für alle Menschen und die vielen anderen Lebewesen auf unserem begrenzten Planeten.
Zu den strukturellen Problemen des deutschen Gesundheitssystems gehört, dass es historisch von einer solidarischen Krankenunterstützung durch die Ausrichtung auf die Versicherungslogik zu einer „Krankheitsversicherung “ umgestaltet wurde. Ähnlich wie bei Autoversicherungen kann eine Krankheitsversicherung in dieser Logik erst tätig werden, wenn ein anerkannter Schaden – in der Form einer ärztlichen Krankheitsdiagnose – festgestellt wurde. Als Handlungsmaxime gilt dann, dass die Beseitigung des Schadens so wirtschaftlich wie möglich zu erfolgen hat.
In den vielen Jahrzehnten dieser Vorgaben für die ärztliche Praxis haben sich als die wirtschaftlichsten Formen der Beseitigung von Krankheitsschäden die Einschränkung und Vermeidung aufwändiger Kommunikationen mit den Patienten zu den jeweiligen persönlichen Leidensbedingungen, eine Fokussierung auf das körperliche Leiden und korrespondierende pharmazeutische oder chirurgische Interventionen durchgesetzt.
Der ökonomische Standardisierungsdruck in entsprechend strukturierten medizinischen Einrichtungen erfordert von allen Beteiligten eine zunehmende Algorithmierung von Entscheidungsprozessen und Trivialisierung der Kommunikationen unter den Vorgaben administrativer Routinen und der verfügbaren Kommunikationskanäle. In derart optimierten Routinen erweisen sich dann virtuelle Kommunikationen und automatisierte Prozesse als die verlässlicheren und personalsparenden, sodass entsprechende technische Krankheitsverwertungslösungen als die ökonomisch vorteilhafteren bevorzugt werden. Dies gilt vor allem für Krankenbehandlungseinrichtungen, die auf eine wirtschaftliche Gewinnerzielung ausgerichtet sind.
Die politisch geplante Festschreibung dieser medizinischen Kommunikationsstrukturen in einem einheitlich digitalisierten geschlossenem Kommunikationssystem mit biometrischen Zugangskontrollen macht ein solches Krankheitsverwertungswesen zu einer gesellschaftlichen Dystopie. Wenn dieses mit einem automatisierten digitalem Abrechnungs- und Finanzierungsstrom verbunden wird, der zunehmend auf die Erwartungen und Gewinninteressen „der Märkte“ ausgerichtet ist, verbreitet sich dagegen ein zunehmender Widerstand bei PatientInnen, Angehörigen und den Beschäftigten, insbesondere den schlecht bezahlten Pflegekräften.
Gefordert wird eine „Care Revolution“ (www.feministisches-institut.de/carerevolution/) und eine angemessene „Sorge-Ökonomie“, die sich von der betriebswirtschaftlichen Produkt-Ökonomie grundlegend unterscheidet (www.transcript-verlag.de/978-3-8376-3040-4/care-revolution).
Für jede Form einer Gesundheits-Wende ist diese ökonomische Neubestimmung von zentraler Bedeutung, um angemessene Maßstäbe für eine menschenwürdige Sorge und humane Umgangsweisen mit leidenden Mitmenschen in einem öffentlichen „Gesundheitssystem“ zu erreichen. Dies wird eine zentrale Herausforderung für die medizinische Wissenschaftsförderung in den kommenden Jahren.
„Wir brauchen einen neuen radikalen Humanismus!“ lautet die Überschrift eines Kommentars des Zukunftsinstituts in Frankfurt in einer Bilanz der aktuellen technologischen Digitalisierung –Bestrebungen des „Dataismus“ (www.zukunftsinstitut.de/artikel/technologie/wir-brauchen-einen-neuen-radikalen-humanismus/).
Mit der Studiengruppe „Gesundheit“ der VDW wollen wir einen Rahmen schaffen, um einem neuen, radikalen und streitbaren Humanismus eine wissenschaftlich, politisch, gesellschaftlich und persönlich klare Kontur zu verschaffen. Wir wollen eine entsprechend fundierte „Gesundheits-Kompetenz“ der Bürgerinnen und Bürger unterstützen und für eine Humanisierung der menschlichen Behandlungsformen im Krankheitswesens wirksam werden.
Gesundheitspolitik ist eine Gemeinwohl- und Commons-Politik. Sie betrifft in ihren Auswirkungen uns alle.
Wir wollen daher dafür streiten, dass die Medizin eine „Humanwissenschaft“ bleibt und dass diese Zuordnung forschungspolitische Konsequenzen für die künftige öffentliche Forschungsförderung erhält.
Nicht „High Tech“, sondern „High Human“ oder noch besser „Hi, Human!“ soll das nächste BMBF-Förderprogramm für „Forschung im Dienste der Gesundheit“ zur Unterstützung der gesellschaftlichen „Gesundheits-Wende“ und nachhaltig gesundheitsfördernder Städte- und Gemeindeentwicklungen für alle Bürgerinnen und Bürger benannt werden.
Wir werden im Kontext der anstehenden Bundestagswahlen die Haltung der zur Wahl antretenden VolksvertreterInnen zu dieser Programmatik erfragen.
Prof. Dr. med. Eberhard Göpel