03. Juli 2025 | Grenzen überwinden

Was bedeutet es heute, „Grenzen zu überwinden“ – individuell, gesellschaftlich, politisch? Wie beeinflussen geografische, politische und mentale Grenzen unser Denken und Handeln im Alltag? Und welche Chancen entstehen, wenn wir Grenzen nicht nur als Hindernisse, sondern auch als Räume der Begegnung und des Austauschs begreifen?

Unter dem Motto „Grenzen überwinden“ widmete sich der diesjährige Aktionstag an der Universität Passau einem ebenso aktuellen wie vielschichtigen Thema. Studierende verschiedener Fachrichtungen setzten sich über ein Semester hinweg mit der Bedeutung von Grenzen auseinander – sei es in politischer, geografischer, ökologischer oder mentaler Hinsicht. Der Aktionstag bot eine Plattform für die Präsentation ihrer Ideen auf visueller Ebene (durch Poster) sowie in Diskussionen mit Experten und Impulsvorträgen zu Nachhaltigkeit, Erinnerungskultur und Grenzfragen in Geschichte und Gegenwart.

Vom Todesstreifen zum Lebensraum: Das Grüne Band

Ein zentrales Thema war das Grüne Band, der ehemalige innerdeutsche Grenzstreifen, der heute als durchgehender Biotopverbund entlang des einstigen Eisernen Vorhangs verläuft. Studierende beschäftigten sich mit dessen ökologischer, geschichtlicher und gesellschaftlicher Bedeutung. Dabei wurde deutlich: Aus der einstigen Trennlinie ist ein Symbol der Verbindung geworden: Zwischen Ost und West sowie zwischen Mensch und Natur.

Den Auftakt bildete ein Impulsvortrag von Prof. Dr. Hubert Weiger, Ehrenvorsitzender des BUND und Mitinitiator des Grünen Bandes. Er erinnerte an die Anfänge des Projekts kurz nach der Wiedervereinigung: „Wir haben schnell erkannt: Wir sprechen nicht nur dieselbe Sprache, wir teilen auch dieselben Emotionen und Erfahrungen im Naturschutz.“ Das Grüne Band sei nicht nur ein bedeutender Lebensraum für bedrohte Tierarten, sondern zunehmend auch eine „Gedächtnislandschaft“, die an die Geschichte der Teilung und die Kraft der Versöhnung erinnert. Daher arbeite man auch heute intensiv daran, das Grüne Band nicht nur als Weltnatur- sondern auch als Weltkulturerbe zu etablieren.

Im Zentrum des Aktionstags standen interdisziplinäre Posterpräsentationen. In kleinen Gruppen arbeiteten Studierende an unterschiedlichsten Aspekten rund um das Thema Grenzen. So untersuchte eine Gruppe die Auswirkungen von Grenzen auf die Zusammenarbeit im Naturschutz zwischen verschiedenen Ländern, sowohl in historischer als auch in der gegenwärtigen Perspektive. Das Fazit: Friedliche, grenzüberschreitende Kooperationen sind fragil und müssen aktiv geschützt und gefördert werden.

Weitere Studierende untersuchten den Müllhandel zwischen West-Berlin und der DDR. Sie arbeiteten heraus, wie Umweltbelastung zur politischen Frage werden kann und wie andererseits Grenzen zur Biodiversität beitragen konnten.

Auf innovative Weise beschäftigte sich andere Kommiliton:innen mit einer Medienanalyse der Entstehung des Grünen Bandes. Zeitungsartikel wurden hinsichtlich Sprache, Tonalität und gesellschaftlicher Deutung untersucht. Dabei zeigte sich: Während das Grüne Band heute überwiegend positiv dargestellt wird, gab es insbesondere in den 1990er-Jahren auch Kritik aus der Landwirtschaft.

Im Kurs „Der Bayerische Wald historisch-digital“ entstanden Online-Ausstellungen zu Themen wie dem Wolf, Schachten, Tourismus oder der Umsiedlung der Sudetendeutschen. Auch hier zeigen sich Grenzen zwischen Ökonomie und Ökologie.

Einen innovativen Zugang hat der Kurs von Stephanie Zehnle eingenommen. Die Studierenden zeichneten Comics über das Thema Grenzen. In erzählerischer Form wurden historische Ereignisse, Naturschutz und Erinnerungskultur aufbereitet, etwa aus der Perspektive eines Luchses oder eines ehemaligen Grenzsoldaten.

Der Kartographie-Kurs von Prof. Ebert befasste sich mit historischen Atlanten und der kritischen Reflexion von Karten als Instrumente der Grenzziehung, sowohl physisch als auch mental. Anhand von Karten zu „Völkern“, „Krankheiten“ und „Verkehrssprachen“ wurde deutlich, wie Grenzziehungen auch Identitäten, Machtverhältnisse und Weltbilder festschreiben können. Ein Poster widmete sich gezielt dem Thema Vorurteile und Stereotypen und zeigte, wie diese oft unbewusst im Denken fortbestehen, obwohl sichtbare Grenzen längst gefallen sind.

Ein weiteres Poster stellte die These auf, dass Entgrenzung beim Zugang zu Wissen zentral für globale Nachhaltigkeit ist. Hindernisse wie mangelnde Bildung, politische Zensur oder ökonomische Barrieren müssen überwunden werden, um weltweit nachhaltige Entwicklungen zu ermöglichen.

Prof. Hubert Weiger lobte die Tiefe und Breite der studentischen Beiträge: „Gerade die Verbindung von Naturschutz mit Erinnerungskultur und politischer Bildung zeigt, wie wichtig es ist, Grenzen in ihrer ganzen Komplexität zu betrachten: Nicht nur geografisch, sondern auch kulturell und emotional.“

Festredner des anschließenden Tags der Nachhaltigkeit, Dr. Philipp Blom, Historiker und Philosoph, regte in seinem Plädoyer an die Studierenden zum Nachdenken an: „Grenzen sind notwendig. Sie helfen uns, die Welt zu strukturieren. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass sie menschengemacht sind und dass sie sich verändern lassen.“

Impulse und Ehrungen beim Tag der Nachhaltigkeit

Nach dem erfolgreichen Aktionstag wurde auch der Tag der Nachhaltigkeit der Universität Passau begangen. Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber betonte in seinem Grußwort: „Nachhaltigkeit beginnt bei uns selbst. Ob mit Solartechnik, Wärmepumpe oder kaltem Duschen. Jeder Beitrag zählt.“ Er forderte eine stärkere Rolle der Wissenschaft in der Politik und mahnte: „Wir müssen schneller sein als die Lehrbücher.“

Ein Highlight bildete die Auszeichnung nachhaltiger Initiativen an der Universität Passau durch Minister Glauber und den Vizepräsidenten Prof. Dr. Werner Gamerith: darunter das erste Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) an der Universität und das Projekt „KulturTransport“, das sich durch die vielseitige Unterstützung und Gestaltung nachhaltiger Projekte am Campus, so etwa die (Mit-)Betreuung des Versuchsackers der CampusAckerdemie, auszeichnet.

Nach der Preisverleihung diskutierte Prof. Hubert Weiger in einem Podiumsgespräch mit Studierenden über das Thema „Grenzen überwinden“ und die Erfahrungen und Ergebnisse der Seminarreihe.

Den Abschluss bildete der Festvortrag von Dr. Philipp Blom mit dem Titel „Macht euch die Erde untertan – Aufstieg und Fall einer Idee“. Darin führte er das Publikum auf eine geschichtliche Reise durch die Erzählung vom Menschen als Herrscher über die Natur: Von den Anfängen menschlicher Zivilisation über die industrielle Revolution bis hin zu heutigen Klimapolitiken.

Mit Blick auf die Gegenwart zeichnete Blom ein kritisches Bild: „Wir leben in einer Welt, die ins 19. Jahrhundert zurückgekippt ist.“ Die regelbasierte Ordnung sei erschüttert, nationale Alleingänge blockierten echte Lösungen. Nachhaltigkeit, so Blom, müsse deshalb als strategischer Imperativ verstanden werden, nicht als moralischer Appell. Kein Staat könne die Herausforderungen der Zukunft im Alleingang bewältigen. Nur durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit sei eine lebenswerte Zukunft denkbar.

So schloss sich der inhaltliche Bogen zum Aktionstag „Grenzen überwinden“: Nachhaltigkeit gelingt nur gemeinsam über politische, geografische und mentale Grenzen hinweg.

Der Aktionstag „Grenzen überwinden“ war weit mehr als eine universitäre Projektvorstellung. Die intensive Auseinandersetzung mit Grenzen in Natur, Geschichte, Denken und Politik zeigte eindrucksvoll, wie vielfältig und bedeutungsvoll dieses Thema ist. Der Tag endete mit viel Inspiration, einem gemeinsamen Empfang, bei dem die Poster gewürdigt wurden und dem Gefühl: Grenzen lassen sich überwinden, wenn wir es gemeinsam wollen.