Whistleblowing („Alarmschlagen“) – In den USA wurde dieser Begriff geprägt und ist dort längst fester Bestandteil der politischen Kultur. Mutige Angestellte wenden sich gegen ungesetzliche, unlautere oder ethisch zweifelhafte Vorgänge in ihrem Betrieb oder ihrer Dienststelle. Sie weigern sich an unrechten Praktiken mitzuwirken und versuchen ihre Kritik bei der Arbeit einzubringen. Wer intern kein Gehör findet, wendet sich an die Öffentlichkeit. Der Preis ist hoch: Viele bezahlen mit sozialer Ächtung, der Bedrohung ihrer Person und Familie, dem Verlust ihrer Anstellung.
Der Fokus auf Whistleblowing der VDW soll den großen persönlichen und beruflichen Opfern zugunsten der Gesellschaft Anerkennung zollen und Zuspruch, Ermutigung und Solidarität zum Ausdruck bringen. WhistleblowerInnen sind Menschen mit großer Zivilcourage und erleben Anfeindungen und Zumutungen im öffentlichen Raum, und wir wollen sie unterstützen.
Whistleblower-Preis: Für Mut und Verantwortungsbewusstsein, gegen erstarrte Strukturen
Die Strukturen, in denen es zu unrechtmäßiger Arbeitsweise und Verhalten kommen kann, lassen sich oft über den Einzelfall hinaus wiederfinden. Der Whistleblower-Preis soll eine möglichst breite gesellschaftliche Diskussion über die wichtige Rolle von WhistleblowerInnen anstoßen. Ihre Kenntnisse als InsiderInnen oder ExpertInnen und ihre uneigennützige mutige Bereitschaft Alarm zu schlagen, stellen häufig die einzige Möglichkeit dar, in staatlichen Bürokratien, in der Wirtschaft, in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, aber auch in den internationalen Beziehungen grobe Missstände aufzudecken.
WhistleblowerInnen riskieren viel. Ihre berufliche Karriere kann erheblich beeinträchtigt werden; Nicht selten geraten sie in schwere Existenzkrisen. Davor müssen sie besser geschützt werden – rechtlich, aber auch durch eine entsprechende Infrastruktur in den Betrieben, Forschungseinrichtungen und Verwaltungen. Geeignete Anlaufstellen für Angestellte, der Austausch über Ethik am Arbeitsplatz und Raum für interne Kritik, könnten die Möglichkeit zur Reflektion abseits von herrschenden Machtstrukturen bieten.
Wichtig sind auch JournalistInnen, die über solche Fälle berichten, WhistleblowerInnen zu Wort kommen lassen, Verantwortliche zu Stellungnahmen drängen und kritisch nachfragen.
Um Menschen zu würdigen, die unter Einsatz ihrer eigenen Sicherheit und Reputation Misstände im direkten Umfeld aufdecken, anprangern und kritisieren, verleihen die VDW e.V. und IALANA seit 1999 den Whistleblower-Preis. Persönlichkeiten, die in ihrem Arbeitsumfeld oder Wirkungskreis schwerwiegende, mit erheblichen Risiken oder Gefahren für Mensch und Gesellschaft, Umwelt oder Frieden verbundene Missstände aufgedeckt haben, werden durch den Preis öffentlich unterstützt und geehrt.
Kriterien für die Preisverleihung
Mit dem „Whistleblower-Preis“ werden Persönlichkeiten ausgezeichnet, deren Verhalten („Whistleblowing“) folgende Kriterien erfüllt:
Vorschläge für KandidatInnen sind willkommen.
1. Brisante Enthüllung („revealing wrongdoing“)
2. Alarmschlagen („going outside“)
3. Primär uneigennützige Motive („serving public interest“)
4. Inkaufnahme schwerwiegender Nachteile („risking retaliation“)
Whistleblower-Preisträger seit 1999
Ehem. Bundesverfassungsrichter Jürgen Kühling, anlässlich der 1. Whistleblower-Preisverleihung an Alexander Nikitin 1999: Von Freunden gemieden, vom Recht verfolgt
„Das Recht schützt – auch bei uns – die dunklen Geheimnisse der Mächtigen. Wer rechtswidrige oder gemeinschädliche Handlungen staatlicher Stellen oder seines Arbeitgebers offenlegt, verletzt regelmäßig Verschwiegenheitspflichten und setzt sich Maßregelungen aus. Der beamtenrechtliche Ausnahmetatbestand ist eng gefasst: Nur strafbares Verhalten darf der Beamte anzeigen. Im Arbeitsrecht gibt es kein allgemein anerkanntes gesetzliches Maßregelverbot für „Whistleblower“. Der strafrechtliche Schutz von Staats-, Amts- und Geschäftsgeheimnissen reicht weit und kennt ebenfalls keine generelle Ausnahme für rechtswidrige oder gemeinschädliche Tatsachen.
Auch das gesellschaftliche Umfeld des „Whistleblowers“ ist gewöhnlich nicht auf seiner Seite. Sein Verhalten wird als Verrat eingestuft, gilt als illoyal. Ein tief verwurzeltes Ethos der Gefolgschaftstreue überlagert die Grundsätze einer aufgeklärten Ethik, die sein Verhalten gutheißt. Zustimmung erfährt er, wenn überhaupt, gewöhnlich von weither. Von Freunden gemieden, vom Recht verfolgt – das ist das gewöhnliche Schicksal dessen, der sich im Interesse von Frieden, Umwelt oder anderen höchstrangigen Rechtsgütern zum Bruch der Verschwiegenheit entschließt. (…)“
Publikationen
20 Jahre Whistleblower-Preis. Was wurde aus den Preisträger:innen und ihren Enthüllungen| 2023
Gerhard Baisch, Hartmut Graßl, Bernd Hahnfeld, Angelika Hilbeck (Hrsg.) Mit einem Geleitwort von Brigitte Zypries und Michael Breitbach, BWV ⋅ Berliner Wissenschafts-Verlag
Bernd Hahnfeld: 20 Jahre Whistleblower-Preis (aktualisierte und ergänzte Fassung von April 2020)
Whistleblower Enthüllungen/
Whistleblower-Preis | 2017
Whistleblower-Preis | 2017
Dieter Deiseroth, Hartmut Graßl (Hrsg.) Mit einem Geleitwort von Heribert Prantl, BWV ⋅ Berliner Wissenschafts-Verlag
Krebsmittel-Panschereien
Illegalen Waffengeschäfte
Whistleblower-Enthüllungen/ Whistleblower-Preis | 2015
Dieter Deiseroth, Hartmut Graßl (Hrsg.), BWV ⋅ Berliner Wissenschafts-Verlag
US-Airbase Ramstein und globaler Drohnenkrieg
Herbizid Roundup/ Glyphosat als Gefahrenquelle
NS-Belastete im Kernforschungszentrum Karlsruhe
Whistleblower-Enthüllungen/ Whistleblower-Preis | 2011/2013
Dieter Deiseroth, Annegret Falter (Hrsg.), BWV ⋅ Berliner Wissenschafts-Verlag
Whistleblower in der Sicherheitspolitik