*Der Beitrag spiegelt die persönliche Meinung des Autors wider und entspricht nicht zwangsweise der Meinung der VDW.

Dass die Corona-Krise die soziale Ungleichheit verschärft, darauf haben Gewerkschaften und Kirchen bereits hingewiesen und entschiedene Gegenmaßnahmen des Staates gefordert. Weitgehend übersehen wurde bisher wie die Unterstützung der Wirtschaft durch hunderte von Milliarden Euro langfristig die Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft vergrößert. Der Erhalt von Arbeitsplätzen erfordert unbestreitbar Aufwendungen des Staates in bisher unbekanntem Ausmaß zur Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Aktivität. Die enormen finanziellen Hilfen des Staates sichern jedoch gleichzeitig das Überleben vieler Firmen, und damit die weiter bestehenden Eigentümerstrukturen und Einkünfte aus den entsprechenden Vermögen. Ohne einschneidende Veränderungen der Eigentümerstrukturen wird zum Beispiel die Familie Quandt von BMW auch in Zukunft jährlich ca. eine Milliarde allein an Dividenden beziehen. Ebenso werden auch in Zukunft arabische, amerikanische oder asiatische Investoren von Beteiligungen an deutschen Unternehmen profitieren. Dass die Gewinnerwartungen bereits jetzt so hoch sind wie vor einem Jahr zeigt der nach den Staatshilfen schon wieder hohe DAX-Wert von fast 13.000. Die Folgen der jetzt notwendigen enormen Verschuldung des Staates müssen langfristig auch die Friseuse oder die Reinigungskraft über ihre Verbrauchssteuern mittragen, vor allem aber die nachwachsenden Generationen. Wieder einmal werden Verluste sozialisiert und Gewinne privatisiert, die Schere zwischen Arm und Reich wird sich wie bisher weiter öffnen. Arme und Reiche hat es immer gegeben, jedoch hat die in der Neuzeit eintretende ungeheure Akkumulation von Kapital, besonders von Aktienbesitz, unbegrenzt durch nationale Grenzen und verschärft durch nahezu übermächtige neue Akteure des digitalen Zeitalters zu einer früher kaum denkbaren Verschiebung wirtschaftlicher Macht geführt.

Eine überfällige, aber angesichts der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse immer noch unwahrscheinliche Vermögenssteuer kann hier nur wenig ausrichten: sie wird nicht nur absolut unzureichend sein, sondern berücksichtigt in keiner Weise die Aufwendungen des Staates für die einzelnen Firmen. Nur eine adäquate Beteiligung der öffentlichen Hand am Eigentum der unterstützten Firmen kann die Schuldenlast des Staates und eine weitere Umverteilung der wirtschaftlichen Macht mindern.

Noch dramatischer sind die Auswirkungen der Corona Krise für die Länder des Südens im Vergleich zum industriellen Norden. Dies ist die unausweichliche Folge einer Globalisierung, welche arme Länder in eine immer schwieriger werdende Konkurrenz zu entwickelten Ländern bringt.  Die Benachteiligung der früheren Kolonien wurde bereits durch  die Politik der Kolonialmächte begründet,  sie wird verstärkt durch die im Süden erheblich größere Klimabelastung, verursacht vor allem durch die industriellen Länder.

Wohlhabende Länder können die Krise für einen nachhaltigen Umbau ihrer Wirtschaft nutzen, mit erheblichen Investitionen in die Infrastruktur und in die Leistungsfähigkeit ihrer Firmen. Angesichts ihrer ohnehin hoffnungslosen Unterfinanzierung und ungleich höheren Zinslasten können arme Länder durch die Pandemie noch weniger als bisher in Infrastrukturmaßnahmen investieren. Der Aufbau eines Sozialversicherungssystems wird noch länger auf sich warten lassen, Verbesserungen etwa der Verkehrswege oder der Häfen bleiben bestenfalls eigennützigen chinesischen Investoren überlassen. Die Ungleichheit der Leistungsfähigkeit von armen und reichen Ländern wird zunehmen, und zu noch größeren Fluchtbewegungen führen. Allein in Afrika droht jetzt 40 Millionen Menschen die absolute Armut. Der IWF prognostiziert für Afrika die schlimmste Rezession seit den 70er Jahren. Wie von Werner Mittelstaedt [1] hervorgehoben ist angesichts der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich eine weit stärkere Förde­rung der Agrarwirtschaft im Sü­den durch den Nor­den notwendig. Wohlhabende Staaten müssten Entwicklungshilfen in der gleichen Größenordnung wie für ihre eigene Wirtschaft bereitstellen, um eine sich anbahnende Katastrophe in den südlichen Ländern einzudämmen. Die jetzt im Raum stehenden gerade mal drei Milliarden mehr aus Deutschland für die Dritte Welt stehen in keinem Verhältnis zu den staatlichen Hilfen für die eigene Wirtschaft, und können bestenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein sein. Schon ein näherungsweiser Ausgleich der vom Norden über Jahrzehnte angerichteten Klimaschäden im Süden erfordert weit höhere Beträge.

Prof. Dr. Hans-Jörg Schneider
Prof. Dr. Hans-Jörg Schneider
FR Organische Chemie der Universität des Saarlandes
E-Mail: ch12hs@rz.uni-sb.de
www.uni-saarland.de/fak8/schneider

Prof. Dr. Hans-Jörg Schneider, Jahrgang 1935 studierte ab 1955 Chemie, Biologie und Philosophie in Tübingen, München und Berlin (TU). Seine Promotion erfolgte 1967 in Tübingen. Von 1967 bis 1969 war er als PostDoc an der University of California, San Diego und 1969/70 als wissenschaftlicher Assistent bei Walter Hückel in Tübingen angestellt, während er seine Habilarbeit fortsetzte. Seit 1972 ist er Professor für Organische Chemie an der Universität des Saarlandes. Hans-Jörg Schneider ist zudem Autor/Herausgeber u. a. von fünf Fachbüchern und ca. 290 Publikationen inklusive zahlreicher Reviews. Früher war er Mitglied bei SDS, später bei VDW (seit Januar 2015), attac, etc.