VDW-Symposium anlässlich des 85. Geburtstags von Ernst Ulrich von Weizsäcker | 03. Juli 2024 | AXICA Berlin

Wie können wir die dringenden Herausforderungen im Bereich Klima und Umwelt wirksam bewältigen? Welche politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen sind notwendig, um eine nachhaltige Zukunft zu sichern? Wie können wir eine gerechte und friedliche Gesellschaft im Angesicht globaler Veränderungen fördern?

Zu diesen Fragen veranstaltete die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler am 3. Juli 2024 ein interdisziplinäres Symposium in Berlin. Die Veranstaltung fand anlässlich des 85. Geburtstags von Ernst Ulrich von Weizsäcker statt und wurde in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und der Evangelischen Akademie zu Berlin sowie mit der freundlichen Unterstützung vieler weiterer Stiftungen und Vereine organisiert.

Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik wurden in Vorträgen, Diskussionsrunden und vertiefenden Workshops die einzelnen Bausteine der großen Transformationen betrachtet und analysiert. Im Mittelpunkt des Symposiums standen die drängenden Themen unserer Zeit, für die sich Ernst Ulrich von Weizsäcker als Wissenschaftler und Politiker seit Jahrzehnten einsetzt: Klima, Umwelt und Gesellschaft. Durch den Tag führte uns VDW-Geschäftsführerin Dr. Maria Reinisch.

In Zusammenarbeit mit

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Das Ziel: Klima, Umwelt, Gesellschaft – Was brauchen wir damit die Transformation gelingt?
Der Tag wurde mit der zentralen Frage eingeleitet: Was brauchen wir, damit die Transformation gelingt? Diese Frage diskutierten der Klimaforscher Prof. Dr. Hartmut Graßl, Prof. Dr. Christa Liedtke vom Wuppertal Institut und Carolin Schenuit vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). Dabei wurden die verschiedenen Anreize erörtert, die Menschen und Unternehmen benötigen, um in die richtige Richtung zu gehen. Ernst Ulrich von Weizsäcker wurde dabei mehrfach als Beispiel genannt, wie sich auch Einzelpersonen – in diesem Fall er als Wissenschaftler und Politiker – intensiv für das Bewältigen der Herausforderungen unserer Zeit einsetzen können.

Auf die Podiumsdiskussion folgte ein Impuls von Dr. Frauke Fischer, Gründerin der Agentur Auf! Die Biodiversitäts-Expertin betonte, dass Phänomene wie das Artensterben, der Rückgang der Biodiversität, das Abschmelzen des Polareises und die Lebensmittel- und Wasserknappheit Symptome eines globalen Wirtschaftssystems seien, das nicht im Einklang mit unseren planetaren Grenzen funktioniert. Sie erläuterte die Haupttreiber des Biodiversitätsverlustes und wies darauf hin, dass Investitionen in Biodiversität sich immer lohnen, da Biodiversität die Grundlage unseres Lebens bildet.

Aufsicht Hartmut Graßl, Carolin Schenuit, Christa Liedtke Symposium VDW 2024
Ernst Ulrich von Weizäcker Symposium VDW

Abfahrt: Die Transformation in der politischen Wirklichkeit
Jochen Flasbarth, Staatssekretär des BMZ, veranschaulichte die Diskrepanz zwischen der wissenschaftlichen Erkenntnis von Handlungsnotwendigkeiten und der politischen Realitäten. Für die erfolgreiche Umsetzung der Transformation sind laut Flasbarth mehrere Faktoren elementar. Die Ausganslage von Gesellschaften muss beachtet werden und die Ziele konkret definiert sein. Er unterstrich die Wichtigkeit eines holistischen Ansatzes zur Erreichung der SDGs. Der Faktor Zeit muss bei transformativen Prozessen beachtet werden. Für die demokratische Unterstützung und Anpassung an eine neue Realität, brauche eine Gesellschaft mehr Zeit, als teilweise durch die Wissenschaft angenommen wird. Zuletzt betonte Flasbarth die absolute Notwendigkeit von faktenbasierten Diskursen und von Wahrhaftigkeit in der Politik. Nur mit Informationsintegrität seien Fortschritte möglich und könnten gewahrt werden.

So reicht das nicht! – Und jetzt
Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker sprach über die Herausforderungen des globalen Wachstumsstrebens und hob hervor, dass dieses Streben die Ursache für die Zerstörung der Natur sei. Er betonte, dass die Politik die Warnsignale ernst nehmen und transformative Maßnahmen ergreifen müsse. Der Jubilar erläuterte die Idee der neuen Aufklärung, für die er und der Club of Rome sich einsetzen, und verdeutlichte die dringende Notwendigkeit, Wohlstand vom Wachstum zu entkoppeln. Dies sei entscheidend, um auf Basis von Wissenschaft und Vernunft den Klimawandel, den Verlust der Biodiversität und weitere globale Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen.

Jochen Flasbarth VDW Symposium
Frauke Fischer Symposium VDW

Die Weichen richtig stellen – Workshops für konkrete Lösungsansätze
Das Herzstück der Veranstaltung bildeten neun inhaltliche Workshops, in denen die Teilnehmenden zusammen mit Akteur:innen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik an konkreten Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit arbeiteten. Dieser Programmpunkt begann mit kurzen Impulsen der Workshop-Referierenden, gefolgt von einer intensiven zweistündigen Arbeitsphase. Den Abschluss bildete die Vorstellung der Ergebnisse.

Die neun Workshop-Themen sind dabei nicht isoliert zu betrachten. Sie gliedern sich in drei Hauptbereiche:

  • Erstens die Ressourcen, die wir für unser Leben benötigen (Workshops „Boden“, „Biodiversität“ und „Kreislaufwirtschaft“).
  • Zweitens die Nutzung dieser Ressourcen (Workshops „Wirtschaft und Natur“, „Energiewende und Gesellschaft“ und „Städte und Leben“).
  • Drittens wurde der gesellschaftliche Rahmen thematisiert und die Frage, wie dieser gestaltet und geschützt werden kann (Workshops „Demokratie, Kommunikation, Miteinander“, „Frieden und Sicherheit“ und „Digitalisierung und Gesellschaft“).

Für eine erfolgreiche sozio-ökologische Transformation müssen diese drei Teilbereiche inhaltlich miteinander verknüpft und mit einem gemeinsamen Ziel verfolgt werden.

Ressourcen als Lebensgrundlage

Boden

Biodiversität

Kreislaufwirtschaft

Gruppenbild Boden Symposium VDW
Gruppenbild Biodiversität Symposium VDW
Kreislaufwirtschaft Gruppenbild VDW Symposium 2024

Die Arbeitsgruppe „Boden“ beschäftigte sich mit der bislang unzureichenden Beachtung des Bodenlebens in Forschung und Praxis. Sie betonte, dass der Schutz von Bodenbereichen wie Grasland und Mooren entscheidend für den Klimaschutz und den Erhalt der Biodiversität ist. Ein besonderes Augenmerk galt der „funktionalen Diversität“, also der Vielfalt aller Prozesse in einem Ökosystem. Die Gruppe forderte, dass Gütesiegel wie das FSC-Siegel vom Staat überwacht und flächendeckend durchgesetzt werden sollten.

Im Workshop „Biodiversität“ wurden Maßnahmen zur Erhaltung und Stärkung der Biodiversität diskutiert, um den Verlust durch die Triple-Krise (Artensterben, Klimawandel, Pandemien) zu verhindern. Die Arbeitsgruppe erörterte die Einführung des „Biodiversitäts-Cents“, eine verstärkte pflanzenbasierte Ernährung, Reformen in der Landwirtschaft und neue Ansätze zur Förderung der Biodiversität.

Der Workshop zur Kreislaufwirtschaft diskutierte wirtschaftliche Instrumente wie Steuern, Pfandsysteme und Subventionen im Hinblick auf ihre Anwendung zur Förderung einer Kreislaufwirtschaft. Die Vor- und Nachteile dieser Instrumente wurden abgewogen, ebenso wie deren Effektivität bei der Motivation von Marktteilnehmenden zu nachhaltigem Handeln. Beispiele waren das Europäische Gesetz zu kritischen Rohstoffen, der Export von Elektro-Schrott und der CO2-Grenzsteuerausgleich der EU.

Leitung: Prof. Dr. Hubert Weiger
Mitwirkende: Dr. Anita Idel, Dr. Johannes Merck

Leitung: Prof. Dr. Josef Settele
Mitwirkende: Martin Ahrens, Simon Krischer

Leitung: Prof. Dr. Henning Wilts
Mitwirkende: Sophia von Bonin, Kai Schlegelmilch

Nutzung der Ressourcen

Wirtschaft und Natur

Energiewende und Gesellschaft

Städte und Leben

Gruppenbild Wirtschaft Symposium VDW
Gruppenbild Energiewende Symposium VDW
Gruppenbild Städte Symposium VDW

Im Workshop „Wirtschaft und Natur“ wurde die Rolle von Banken und dem Finanzwesen bei der Umsetzung der SDGs besprochen. Es wurde untersucht, wie ökologische Aspekte in Aufsichtsräten von Unternehmen integriert werden können und welche Rolle sie dabei spielen. Zudem wurde über die in Deutschland vorhandene Luftkontamination mit Pestiziden und die damit einhergehenden Gesundheitsrisiken gesprochen. Im Plenum diskutierten die Teilnehmenden einige Lösungsansätze, wie beispielsweise die Bepreisung von Umweltschäden und Gesundheitsbelastungen.

Der Workshop zur „Energiewende“ behandelte die Herausforderungen und Lösungen für die laufende Transformation. Besonders berücksichtigt wurden soziale Ungleichheiten, partizipative Dialoge, die Bedeutung der Dezentralisierung in ländlichen Gemeinden und die Suffizienz von Maßnahmen im Energiebereich. Besonders vertieft wurde das Fehlen von Anreizen und sozialer Akzeptanz, trotz des Vorhandenseins von Technologien.

Im Workshop „Städte und Leben“ besprachen die Teilnehmenden die nötigen Veränderungen im Bereich der Stadtgestaltung wie z. B. die Umfunktionierung von bestehenden Gebäuden. Dafür müsse eine enge Zusammenarbeit zwischen Bürger:innen, der Verwaltung und weiteren Akteur:innen der Stadtlandschaft entstehen. Zusätzlich müsse die Stadt im Einklang mit der Natur organisiert werden.

Leitung: Dr. RA. Klaus Schmid, Dr. Rosario Almeida Ritter, Dr. Niels Kohlschütter

Leitung: Markus Graebig, Dr. Maria Reinisch
Mitwirkende: Prof. Dr. Peter Hennicke, Frank-Michael Uhle

Leitung: Prof. Elke Pahl-Weber, Dr. Peter Kurz

Gestaltung und Schutz des gesellschaftlichen Rahmens

Frieden und Sicherheit

Digitalisierung und Gesellschaft

Demokratie und Kommunikation

Gruppenbild Frieden Und Sicherheit VDW Symposium
Gruppenbild Digitalisierung Symposium VDW
Demokratie Gruppenbild Symposium VDW 2024

In dieser Sitzung wurden die Auswirkungen des Klimawandels auf Frieden und Sicherheit in der Welt diskutiert. Themen waren unter anderem die Rolle von „Tipping Points“ bei der Klimamigration, militärische Treibhausgasemissionen, Environmental Peacebuilding und Projekte wie „Good Water Neighbours“. Zudem wurden der Ukraine-Krieg und weitere geopolitische Konflikte eingeordnet. Der Zusammenhang zwischen Frieden und Nachhaltigkeit wurde eingehend beleuchtet und es wurden präventive Maßnahmen erörtert.

Im Workshop „Digitalisierung“ wurden Regulierungsmaßnahmen, insbesondere die bald in Kraft tretende EU-Verordnung „AI-Act“, erörtert. Ziel ist es, die Risiken der KI-Technologie zu minimieren, um sie effektiv bei klimapolitischen Maßnahmen wie der Baumpflege einzusetzen. Weitere Themen umfassten die Nutzung von KI zur Schmerzdetektion und die damit verbundenen ethischen Implikationen sowie ein Projekt zur Bekämpfung von Fake News. Außerdem wurde die gesellschaftliche Verantwortung der Informatik diskutiert.

Der Workshop beschäftigte sich damit, wie Medien besser dazu beitragen können, Demokratie und Miteinander zu stärken und alle Bürger:innen für die sozio-ökologische Transformation zu gewinnen. Die Arbeitsgruppe untersuchte Aspekte wie „Nudging“, die Schaffung politischer Anreize für klimapolitische Maßnahmen, und die Regulierung sozialer Medien zur Verhinderung von Desinformationskampagnen und Fake-Bots. Ziel war es, die Lust auf die Zukunft zu fördern und den Zusammenhang zwischen einem gesunden Planeten und gesunden Menschen klarer zu machen (planetary health).

Leitung: Prof. Dr. Götz Neuneck, Prof. Dr. Jürgen Scheffran
Mitwirkende: Prof. Dr. Lothar Brock, Dr. Ute Finckh-Krämer, Dr. Kira Vinke

Leitung: Prof. Dr. Ute Schmid, Alexander von Gernler
Mitwirkende: Philipp Otto, Bettina Finzel, Jonas Troles, Veronika Solopova, Katharina Buchsbaum, Enes Erden Erdogan, Anna Konerding, Blanca Sabater Vilches, Philip Waelde

Leitung: Christiane Grefe
Mitwirkende: Dr. Nina Scheer, Henning Flaskamp

Im Anschluss an die Workshops wurden die Ergebnisse im Plenum vorgestellt und miteinander verknüpft. Es zeigte sich, dass es bedeutende Schnittstellen zwischen den Themen gibt, was die Notwendigkeit interdisziplinärer Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit unterstreicht. Die ausführlichen Ergebnisse können hier eingesehen werden.

Zugkraft: Die Rolle der Wissenschaft für die zugkräftige Umsetzung
Der nächste Programmpunkt widmete sich der Rolle der Wissenschaft bei der Umsetzung von Transformationsprozessen und deren Integration in Hochschulen, wo neben der Forschung auch die Ausbildung neuer Generationen stattfindet. Diskutiert wurde dies von Prof. Dr. Walter Rosenthal, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Prof. Dr. Ulrike Beisiegel, ehemals Präsidentin der Georg-August-Universität Göttingen, Prof. Dr. Gerhard Kreutz, Präsident der Hochschule Emden/Leer, und Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, moderiert von Prof. Dr. Ulrich Bartosch, Vize-Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.

Diskussion um die Wissenschaft Symposium VDW

Zug um Zug zum Zukunftszug
Am Abend galt es den „Zukunftszug“ mit Enthusiasmus und Tatendrang ins Rollen zu bringen. Dr. Eckart von Hirschhausen sprach darüber, wie man die Person wird, die man sein möchte – als gesunder Mensch auf einem gesunden Planeten. Die Familien von Weizsäcker und Ritter geben hier ein gutes Beispiel: Seit Jahrzehnten engagieren sie sich für nachhaltige Bildung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Doch wie gelingt es, die Impulse der Eltern aufzugreifen und gleichzeitig eigene Ideen und Akzente in die Welt zu setzen? Dr. Eckart von Hirschhausen diskutierte dies zunächst mit Maria von Bonin und Jacob von Weizsäcker, zwei der fünf Kinder von Ernst Ulrich und Christine von Weizsäcker, und mit anschließend Alfred Ritter und seinem Sohn Moritz Ritter.

Im Anschluss sprach Prof. Dr. Klaus-Heinrich Standke, der erste deutsche Direktor des UN-Büros für Wissenschaft und Technologie, darüber, wie man ein globales Problembewusstsein schaffen und auf die multilaterale Agenda bringen kann. Das Abendprogramm beinhaltete zudem ein köstliches Abendessen sowie Danksagungen und Glückwünsche zum 85. Geburtstag von Ernst Ulrich von Weizsäcker. Zum krönenden Abschluss wurden Christine und Ernst Ulrich von Weizsäcker die Max-Born-Medaillen verliehen.

Wir blicken zurück auf ein spannendes und umfassendes Zukunftssymposium, das ganz im Sinne seines Mottos „Zug um Zug zum Zukunftszug“ die Grundlage für interdisziplinäre und intergenerationelle Lösungsansätze für eine nachhaltige Zukunft gelegt hat. Wir danken Ernst Ulrich von Weizsäcker und allen Unterstützer:innen für den großartigen Einsatz und die unzähligen Beiträge zu dieser erfolgreichen Veranstaltung.

Aufsicht Eckart Hirschhausen Symposium VDW
Eckart Hirschhausen und Familie Weizäcker Symposium VDW
Maria Reinisch VDW Symposium
Schülerinnen Symposium VDW

Eine Veranstaltung der

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