Am 07. Februar ging es weiter mit unserer digitalen Veranstaltungsreihe „Jung und Alt bewegt: Klima, Umwelt und Gesellschaft – Impulse aus der Wissenschaft“. Diesmal dabei war Prof. Jan-Heiner Küpper, Professor für Molekulare Zellbiologie und geschäftsführender Direktor des Instituts für Biotechnologie an der BTU Cottbus-Senftenberg. Unser Ehrengast Prof. Hartmut Graßl war auch in dieser Folge unserer Veranstaltungsreihe digital zugeschaltet, in der es dieses Mal um das Cyanobakterium Spirulina ging und welche Chance es für Klima und Ernährung bietet.
Wie gewohnt übernahm Maria Reinisch die Moderation des Workshops und startete mit einem kleinen Quiz zu Landwirtschaft, Nahrungsmittelversorgung und unseren Essgewohnheiten. Prof. Küpper eröffnete anschließend seinen Vortrag mit einem Blick auf die fatalen Entwicklungen des Klimawandels. Durch den Ausstoß von fossilen Gasen in die Atmosphäre, wie etwa CO2, wird der Treibhauseffekt innerhalb unserer Atmosphäre verstärkt und die globale Lufttemperatur steigt an. Um diesen Prozess und damit einhergehend die Gefährdung der Biosphäre und Versauerung der Meere zu stoppen bzw. abzuschwächen, müssen wir verschiedene Wege miteinander kombinieren: Neben der Reduktion an Treibhausgasemissionen müssen natürliche Kohlenstoffsenken wie Wälder, Moore oder Permafrostboden geschützt werden. Zusätzlich sollten wir in das technische Einfangen von atmosphärischem CO2 investieren. Neben kosten- und energieintensiven physikalischen und chemischen Prozessen ist die Photosynthese eine einfache und günstige Methode, um CO2 zu binden – wie es bereits seit Jahrmillionen auf natürliche Weise geschieht.
Spirulina – ein Cyanobakterium – ist einer der ersten Einzeller, die allein durch Photosynthese überleben konnten. Es ist auch heute noch weit über den Globus verbreitet. Spirulina kommt natürlich in alkalischen und sehr salzhaltigen Gewässern vor, kann aber auch in Süßwasser-Aquakulturen produziert werden. Schon die Azteken und die Kanembu-Bevölkerung rund um den Tschadsee nutzten Spirulina als Nahrungsmittel und Proteinquelle. Vor 40 Jahren wurde die Mikroalge als „Best Food for Future“ ausgezeichnet. Denn Spirulina hat nicht nur eine sehr hohe Produktivität bei der Produktion, d.h. auf geringer Fläche kann eine hohe Menge produziert werden, sondern besteht auch zu einem Großteil aus Proteinen, besitzt alle 9 essenziellen Aminosäuren und hat einen hohen Anteil an Eisen, Phosphor und anderen essenziellen Mineralien – und ist damit ein wahres Superfood für uns Menschen.
Würden wir auf 40% unseres Fleischkonsums verzichten und stattdessen die notwendigen Proteine über Spirulina zu uns nehmen, könnten wir theoretisch bis zu 16,5 Mt CO2-Äquivalente im Jahr einsparen. Da die Produktion von Spirulina einen deutlich geringeren Flächenverbrauch als die Tierzucht hat, könnten freiwerdende Flächen aufgeforstet werden. Durch die natürliche Bindung von CO2 in Wäldern und in Holz als Baustoff könnten bis zu 56,5 Mt CO2-Äquivalente eingespart werden – eine ziemlich große Menge. Spirulina hat demnach nicht nur das Potenzial unser Klima positiv zu beeinflussen, sondern ist auch eine Chance, um die wachsende Weltbevölkerung mit Proteinen zu versorgen und eine Nahrungsmittelengpässe zu verhindern.
In der anschließenden Diskussion stand vor allem die praktische Nutzung von Spirulina im Mittelpunkt. Eine Ursache für die geringe Verbreitung von Spirulina in unserer Ernährung sieht Prof. Küpper darin, dass Spirulina bislang vor allem als Nahrungsergänzungsmittel bekannt ist. Auch die grünliche Farbe und der fischige Geschmack stellen sich als Hindernis für die breite Nutzung heraus. Die Neutralisierung von Farbe und Geschmack bietet jedoch eine Möglichkeit, dass es vermehrt Eingang in unsere Ernährung finden kann. So kann es etwa genutzt werden, um Fleischersatzprodukte zu produzieren – gegen die etwa, anders als bei Produkten auf Basis von Soja- oder Erbsenproteinen, keine Unverträglichkeiten bestehen.
Allein durch Spirulina werden wir die großen Herausforderungen von Klimawandel und Nahrungsmittelknappheit nicht lösen können. Es ist aber eine von vielen kleinen Möglichkeiten, die gemeinsam mit anderen einen großen Effekt auf unsere Zukunft und unser Klima haben können. Wir bleiben gespannt, welchen Stellenwert Spirulina zukünftig in unserer Ernährung einnehmen wird!