14. November 2023 | Zukunft für Ostfriesland – Herausforderungen verstehen – Chancen gestalten – Transformation wagen

Um nichts Geringeres als die Zukunft für Ostfriesland ging es beim „Aktionstag zur Aufklärung 2.0: Wir sind dran!“ in Zusammenarbeit mit der Hochschule Emden/Leer am 14. November 2023.

In drei informativen Impulsen blickten Prof. Gerhard Kreutz, Prof. Elke Pahl-Weber und Prof. Peter Hennicke auf die nachhaltige Transformation in Deutschland und der Region. Im Anschluss trugen zwei engagierten Studierendengruppen der Hochschule die Ergebnisse ihrer Seminare vor. Dabei ging es insbesondere darum, wie Menschen inspiriert werden können, sich nachhaltig zu verhalten und dementsprechend zu handeln. Moderiert wurde der Aktionstag von Prof. Eric Mührel.

Gerhard Kreutz, der Präsident der Hochschule Emden/Leer, erläuterte die ersten Ergebnisse des Forschungsprojekts „Innovation und Strukturwandel für die Region Ostfriesland“. Besonders interessant waren die innerhalb des Projekts durchgeführten Befragungen von über 600 Oberstufenschüler:innen. Abgefragt wurden unter anderem welche Stärken und Herausforderungen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen für die Region sehen. Kreutz erläuterte, dass diese ähnlich seien wie die Faktoren, die zum Bleiben oder Wegziehen aus der Region bewegen.

Als Stärken wurden am häufigsten genannt: Landschaft und Natur, Gemeinschaft, Kultur, Freundlichkeit und Plattdeutsch. Die größten Herausforderungen sehen die jungen Menschen im Nahverkehr, im Freizeitangebot, beim Internet & der Digitalisierung sowie den Einkaufsmöglichkeiten. Kreutz zeigte, dass im niedersächsischen Vergleich Ostfriesland im Bereich Kommunikation und Information auch statistisch ein Defizit aufzuholen hat. Aber: Hoffnung besteht unter anderem durch den starken Einfluss und die Verankerung der Hochschule in der Region. Sie trägt in verschiedenen Projekten zu einem nachhaltigen Strukturwandel Ostfrieslands bei.

Die Notwendigkeit einer nachhaltigen Stadtplanung wurde durch den Impuls von Prof. Elke Pahl-Weber deutlich. Sie schöpft aus sehr viel theoretischer und praktischer Erfahrung und plädiert dafür, dass mehr Personen in einem offenen Dialog in die Stadtplanung mit einbezogen werden. Nicht nur Anwohner:innen sondern auch Unternehmen, Organisationen und die unterschiedlichen städtischen Abteilungen müssten eingebunden werden. Dabei sei es wichtig nicht nur einen fertigen Vorschlag zu diskutieren, sondern gemeinsam an Möglichkeiten zu arbeiten. Ein positiver Effekt sei, dass Menschen für Lösungen begeistert werden. Häufig fühlen sich die Menschen hilflos im Angesicht der Herausforderungen, wie beispielsweise die steigenden Mieten. Im Bereich des Bauens und Wohnens findet Frau Pahl-Webers klare Worte: Die bestehenden Gebäude sollten besser genutzt und umfunktioniert werden. Es muss zwar weiterhin auch Neubau geben, dieser hat aber immense negative Auswirkungen auf das Klima und sollte daher mittelfristig zurückgefahren werden. Zusätzlich müsse bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Dadurch könnte die Bereitschaft wachsen, dass Personen in großen Wohnungen im Alter in kleinere Wohnungen umziehen und damit Platz für junge Familien schaffen. Insgesamt habe Deutschland eine sehr große Wohnfläche pro Kopf im Vergleich zu beispielsweise Japan. Diese Fläche sollte intelligent genutzt werden.

Prof. Peter Hennicke erläuterte eindrücklich die drei Säulen der Nachhaltigkeit: Effizienz, Konsistenz und Suffizienz. Direkt am Anfang machte er deutlich, dass die Suffizienz, also die Reduktion des Verbrauchs von Ressourcen und Energie, häufig vernachlässigt wird. Es gehe um eine sozial mehrheitlich anschlussfähige große Transformation. Diese benötige Suffizienz. Durch den Fokus auf die technische Umsetzung von Effizienz und Konsistenz sei stark unterschätzt worden, was eine gesellschaftliche Transformation bedeutet. An einer Reihe von Beispielen machte er deutlich, warum die soziale Frage in jedem Bereich relevant sei und mitgedacht werden müsse. Die 20 reichsten Milliardäre würden 8000-mal so viel CO2 verbrauchen wie die ärmsten eine Milliarden Menschen auf der Welt, hier sieht man bereits die Verteilungsungleichheit. Am Beispiel Verkehr zeigt sich die Relevanz für Deutschland besonders. Etwas 50% der ärmsten Haushalte in Deutschland besitzen kein Auto. Das seien ca. 20% der Gesamtbevölkerung. Bei einer Mobilitätsdebatte die stark auf Autos ausgelegt ist, wird also ein großer Teil der Bevölkerung überhaupt nicht mitgedacht. Für die Umsetzung einer effektiven Politik, wie zum Beispiel die angestrebte Halbierung des Fahrzeugbestands bis 2045, fehle es bisher an Alternativen, insbesondere auf dem Land. Prof. Hennicke fordert auch die Wissenschaft auf, bei ihrer technischen Forschung, wie der zur Dekarbonisierung, immer die Umsetzung mit Mehrheitskonsens bereits mitzudenken.
Als positiv Beispiel nannte Hennicke den Plan die Champs Elysee in Paris zu einer Flaniermeile umzubauen. Außerdem legte er dem Publikum ans Herz den Slogan des Harvard Optimist umzusetzen „Turn Fear Into Action“!

Im Anschluss ging es um die kommunikative Seite von nachhaltiger Transformation. Das Seminar „Nachhaltigkeit überzeugt: Wie kann man die Bevölkerung für Transformation und Nachhaltigkeit (zielgruppengerecht) besser erreichen“ erarbeitete in den letzten Wochen mehrere Zielgruppen, für die sie effiziente Kommunikationsstrategien entwickelte. Diese wurden an Plakaten und im offenen Gespräch erläutert. Ein Beispiel waren die Facharbeiter im Industriesektor. In Workshops sollte ein zielgruppenspezifisches Vokabular verwendet werden, außerdem sollte der der Fokus auf den positiven Auswirkungen liegen, die bereits moderate Anpassungen im Alltag auf die Nachhaltigkeit haben.

Den Abschluss des Aktionstages bildete eine lebhafte Debatte aus dem Fachbereich Wirtschaft zur Umsetzung der Energiewende. Eine Gruppe verkörperte dabei eine sehr engagierte Position für eine schnelle Umsetzung der Energiewende für den Klimaschutz. Die andere Gruppe versuchte die Probleme und die Anschlussfähigkeit der breiten Bevölkerung in den Fokus zu nehmen und befürwortete eine moderate Geschwindigkeit bei der Umsetzung. Nach den Schlussplädoyers durfte das Publikum abstimmen und war mehrheitlich für ein schnelles und aktives Angehen der Energiewende.

Nach einem gemeinsamen Ausklang in den Stadtwerken Emden zog die Gruppe zur Hochschule, wo Prof. Mojib Latif den diesjährigen Emder Vortrag hielt. Den Bericht lesen Sie hier.