Tagung am 26. Oktober 2021 am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) Potsdam mit Live-Stream
Das Verkehrssystem ist nicht-nachhaltig – doch bis spätestens 2045 muss es nachhaltig sein. Es verbleiben also nur noch knapp 25 Jahre für eine Mobilitätswende. Trotz erster Schritte weg vom Erdöl war der Grundtrend weltweit ungebrochen und es stiegen die klimarelevanten Emissionen im Verkehrssektor weiter an. Erst wegen der fast weltweiten Ausgangsbeschränkungen zur Bewältigung der COVID-Pandemie schrumpften jetzt vorübergehend die klimarelevanten Emissionen im Verkehrssektor.
Gemeinsam sprachen wir darüber, welche Faktoren die Mobilitätswende erschweren: die Verlängerung der hohen Ölproduktion mittels Fracking, immer schwerere Autos, anhaltende Zuwächse im Flugverkehr auch in den hoch industrialisierten Ländern, ineffiziente Raum- und Siedlungsstrukturen, Städte, die oft die Lebensqualität vermindern und gesundheitsschädlich sind.
Gemeinsam mit unseren Expert:innen und durch unsere Moderation Dr Maria Reinisch und Dr. Martin Held angeleitet, stellten wir fest, dass ein Ausstieg aus dem nicht-nachhaltigen, fossil geprägten Verkehr immer dringlicher wird. Eine grundlegende Mobilitätswende ist erforderlich – umfassend auf allen Ebenen. So erläuterte uns etwa Prof. Hartmut Graßl, welche völkerrechtlich verbindlichen Abkommen bestehen und wie sich diese auf den global gemittelten Temperaturanstieg auswirken. Der Transport-Sektor spielt hier eine entscheidende Rolle, da etwa 21 % der globalen CO₂-Emissionen durch die steigende Mobilität der Weltbevölkerung verursacht wird. Weshalb unser Verkehrssystem anhaltend nicht-nachhaltig ist und wie die anstehende Mobilitätswende eingeordnet werden kann, wurde in dem ersten Block unserer Tagung von Dr. Martin Held und Jörg Schindler ausgeführt.
Unsere Vortragenden stellten fest, dass in Deutschland zumeist nur ein Ausschnitt der umfassenden Mobilitätswende im Fokus steht: Es geht vorrangig um den Einstieg in neue Antriebe für Pkws und dabei wiederum zumeist nur um die Alternative direktelektrisch mit Batteriefahrzeugen oder elektrischer Antrieb mit Brennstoffzellen und Wasserstoff. Die Debatte wird pfadabhängig von den Eigenschaften der bisherigen, fossil angetriebenen Autos bestimmt, wobei es um Reichweite, Ladezeiten, Geschwindigkeiten und Energieeffizienz je Fahrzeug geht. Genau hier setzten die hochinteressanten Vorträge von Dr. Weert Canzler, Thomas Würdinger und Dr. Ulrich Bünger ein. Sie erläuterten und nicht nur, weshalb eine Welt mit weniger Autos erstrebenswert ist, sondern auch, wie sich die Transformation unserer Mobilität auf die Arbeitswelt und unsere Infrastruktur auswirken wird.
In diesem Zusammenhang stellt sich dann auch die Frage, welche bleibenden Auswirkungen von der Corona-Pandemie auf die weitere Entwicklung der Mobilität zu erwarten sind und welche weiteren Trends uns bevorstehen. Darüber diskutierten alle Teilnehmenden angeregt und gemeinsam per Zoom und live vor Ort in Potsdam. Ideen, welche Initiativen oder Entwicklungen hier förderlich sind und was die aktuellen Koalitionsverhandlungen für die Mobilitätswende bedeuten, wurden hier ausgiebig durchgesprochen.
Nach dieser Runde stellte sich die Tagung noch den „schweren Brocken“ der nachhaltigen Transformation. Prof. Bert Leerkamp, Dr. Björn Nagel und Dr. Alexander Dyck stellten uns Ansätze in den besonders schwer umzustellenden Sektoren vor. Aufgrund des hohen Leistungsbedarfs ist die Mobilitätswende im Straßengüterfernverkehr, Flugverkehr und Schiffsverkehr besonders schwer machbar. Sie werden in den aktuellen Debatten noch nicht ausreichend beachtet, weshalb die Einblicke durch die Referierenden sich als besonders aufschlussreich erwiesen.
Wir freuen uns, dass das IASS Potsdam, ASPO Deutschland und die VDW auch in diesem Jahr eine so erfolgreiche Tagung durchführen konnten. Insbesondere der Hybridcharakter der Veranstaltung hat in unserer Abschlussdiskussion zu „Lessons learned“ der Mobilitätswende noch zahlreiche unterschiedliche Blickwinkel ermöglicht und den Austausch über die Fachdisziplinen angeregt.
Die VDW richtete die Tagung mit folgenden Partnern aus:
Impressionen der Tagung
Unser Programm vom 26. November 2021
09:15 Uhr | Registrierung & Get-Together |
Teilnehmende vor Ort | |
10:00 Uhr | Begrüßung & Einführung | Beginn des Live-Streams |
Prof. Ortwin Renn (IASS) und Jörn Schwarz (ASPO Deutschland) | |
10:15 Uhr | Ausstieg & Einstieg: Transformation vom fossilen, nicht-nachhaltigen Verkehr zu einer postfossilen, nachhaltigeren Mobilität |
Das Verkehrssystem ist anhaltend nicht-nachhaltig | |
Dr. Martin Held (ASPO Deutschland) | |
Ausgangslage: Abkommen und Beschlüsse zum Klimaschutz: Paris, ICAO, IMO, European Green Deal, Beschluss Bundesverfassungsgericht und niederländisches Gericht zu Shell | |
Prof. Hartmut Graßl (VDW) | |
Eine umfassende Mobilitätswende ist dringlich – Framing der Mobilitätswende | |
Jörg Schindler (ASPO Deutschland) | |
11:00 Uhr | Mobilitätswende im Personenstraßenverkehr – 100% erneuerbare Energien in knapp 25 Jahren – Sektorkopplung |
Mobilitätswende im Personenverkehr – Politische Weichenstellungen in Richtung weniger Verkehr und weniger Autos | |
Dr. Weert Canzler (Wissenschaftszentrum Berlin) | |
Antriebswende – Auswirkungen auf Beschäftigung und Geschäftsmodelle und gewerkschaftliche Handlungsoptionen | |
Thomas Würdinger (IG Metall) | |
Infrastrukturbedarf E-Mobilität – koordinierter Infrastrukturaufbau zur Versorgung von Batterie- und Brennstoffzellen-Pkw in Deutschland | |
Dr. Ulrich Bünger (Ludwig-Bölkow-Stiftung) | |
12:15 Uhr | Mittagspause |
Imbiss vor Ort | |
13:15 Uhr | Diskussionsrunde |
Welche bleibenden Auswirkungen sind von der Corona-Pandemie auf die weitere Entwicklung der Mobilität und damit die Bedingungen der Mobilitätswende zu erwarten? | |
14:15 Uhr | Schwere Brocken einer umfassenden Mobilitätswende – wie soll das gehen: 100% erneuerbar bis spätestens 2045? |
Im Straßengüterfernverkehr | |
Prof. Bert Leerkamp (Bergische Universität Wuppertal) | |
Im Flugverkehr | |
Dr. Björn Nagel (Institut für Systemarchitekturen in der Luftfahrt, DLR) | |
Im Schiffsverkehr | |
Dr. Alexander Dyck (Institut für Maritime Energiesysteme, DLR) | |
15:30 Uhr | Kaffeepause |
16:00 Uhr | Abschlussdiskussion mit den Referierenden |
Lessons learned – Mobilitätswende 2020 bis 2050: ein systemischer und übergreifender Paradigmenwechswel ist angesagt | |
17:30 Uhr | Ende der Veranstaltung |