Die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler und die deutsche Pugwash-Gruppe trauern um ihr langjähriges Vorstandsmitglied Professor Ulrich Albrecht (1988-1994), der im Alter von 75 Jahren am 26. Dezember 2016 nach langer Krankheit verstarb.
Ulrich Albrecht wurde mitten im 2. Weltkrieg 1941 in Leipzig geboren. Sein Vater, ein Versicherungsmathematiker, starb in Stalingrad. Nach der Reifeprüfung 1960 studierte er Luftfahrtechnik in Aachen und Stuttgart sowie Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft.
Er promovierte in diesen drei Fächern 1970 mit einer Dissertation über den Waffenhandel. Von 1969 bis 1972 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der von Carl Friedrich von Weizsäcker begründeten Forschungsstelle der VDW in Hamburg. 1970-71 arbeitete er als Gastforscher am International Institute for Strategic Studies in London. 1972 wurde er zum Professor für Friedens- und Konfliktforschung am Fachbereich Politische Wissenschaft der Freien Universität (FU) Berlin berufen. Ulrich Albrecht war Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft für Friedensforschung (AFK) und zeitweilig deren Vorsitzender (1976/77). Er leitete die AG „Rüstung und Unterentwicklung“ in der AFK und weitere Studiengruppen in der VDW („Militärpolitik“ und „Wissenschaft und Rüstung“). Ulrich Albrecht engagierte sich in maßgeblicher Form in der von Gustav Heinemann 1971 gegründeten Deutschen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung (DGFK) und spielte in Kooperation mit Theodor Ebert und Wolf-Dieter Narr eine zentrale Rolle beim Aufbau des Forschungsinstituts der ebenfalls 1971 gegründeten Berghofstiftung für Konfliktforschung. Er vertrat die Wissenschaft im Kuratorium der DGFK und gehörte zwanzig Jahre lang dem Stiftungsrat der Berghof-Stiftung an. Seit 1970 war er auch in den Pugwash Conferences on Science and World Affairs aktiv, von 1997 bis 2002 als Mitglied des Pugwash Councils und Pugwash-Beauftragter der VDW. Zu seiner umfangreichen publizistischen Tätigkeit gehörte auch die Mitherausgabe mehrerer Fachzeitschriften (Arms Control, Leviathan und Internationale Politik, etc.).
Ulrich Albrecht engagierte sich auch in der Selbstverwaltung der Wissenschaft und in der Politikberatung. Von 1981-1983 wirkte er als Vizepräsident der FU Berlin. 1982-83 beriet er die “UN Group of Governmental Experts on the Use of Military R&D”. Von 1988-1994 war er Mitglied des VDW-Vorstandes. 1990 wurde er Leiter des Planungsstabs im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR in Ostberlin.
Neben der für ihn sehr wichtigen Lehrtätigkeit und vielen Gastaufenthalten im Ausland verfasste Ulrich Albrecht zahllose Publikationen zur Rüstungsdynamik und Konversion von Rüstungseinrichtungen, zur Ost-West-Politik, zur deutschen Wiedervereinigung und zur europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Er hat zahlreiche Forschungsprojekte angeregt und wichtige Aufbauarbeit für die deutsche Friedens- und Konfliktforschung geleistet. Auch hielt er spezielle Kontakte nach Südkorea mit Blick auf eine mögliche Wiedervereinigung. Schon von seiner schweren Erkrankung gezeichnet, nahm er im Rollstuhl an der Pugwash-Jahrestagung in Seoul 2004 teil. Er wurde von seinen südkoreanischen Schülern begeistert empfangen. Sein Freund Mark Suh schrieb: „Ulrich Albrecht was a special friend to Korean Pugwashites and much respected by many Koreans for his devotion to peace and reconciliation in Korea“. Ulrich Albrecht war ein unermüdlicher Initiator, ein kritischer Geist und radikaldemokratischer Denker. Er wirkte als Motor der deutschen Friedens- und Konfliktforschung, er inspirierte viele junge Leute, Kollegen und Arbeitsgruppen. Der norwegische Pugwash Kollege Sverre Lodgaard fasst dies wie folgt zusammen: “Ulrich had a sharp analytical mind, always productive and always encouraging others to do more and better”. Im persönlichen Umgang war er zurückhaltend-freundlich, war stets umtriebig und optimistisch. Umso schwerer traf ihn und die deutsche Friedensforschung seine Erkrankung. Kondolenzen kamen vom Pugwash-Präsidenten Jayantha Dhanapala, sowie von Kollegen aus Neuseeland, Kanada, Norwegen, Korea und Indien.
In seinem aufschlussreichen autobiographischen Aufsatz „Vom Flugzeugingenieur zum Friedensforscher“ schrieb er 1991: „Hatte ich zunächst Raketen und Militärflugzeuge (mit-) entworfen, so geht es mir heute um die Abschaffung solcher Kriegsmaschinen überhaupt.“ Die VDW trauert über den Tod ihres aktiven Mitgliedes und Mitarbeiters.
Götz Neuneck, Pugwash Beauftragter der VDW