Die Studiengruppe beschäftigt sich seit 2017 mit den zentralen Zusammenhängen und Herausforderungen der europäischen und globalen Sicherheit. Damit knüpft sie an die Tradition der VDW auf dem Gebiet der kooperativen Sicherheits- und Friedenspolitik an, in der die Wissenschaft eine besondere Rolle spielte. Bei der Gründung der VDW standen Fragen der nuklearen Abrüstung und Rüstungskontrolle im Vordergrund, was sich insbesondere in der Göttinger Erklärung von 1957 zur atomaren Bewaffnung sowie der Beteiligung an der internationalen Pugwash-Bewegung widerspiegelt.
Inzwischen sind neben der atomaren Bewaffnung neue Sicherheitsrisiken, komplexe Konfliktdynamiken und Krisenkonstellationen hinzugekommen – von der Digitalisierung bis zum Klimawandel. Beschleunigt wird die Entwicklung durch den technisch-wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Ambivalenz wie auch durch ökonomische und soziale Prozesse der Globalisierung. Unter den sich verändernden Rahmenbedingungen des 21. Jahrhunderts löst sich die (scheinbare) Stabilität der bisherigen Weltordnung auf; die Herausforderungen für Frieden und Sicherheit in und um Europa nehmen zu. Die Chancen für eine kooperative Weltordnung schwinden. Nationalistische Machtpolitik schürt eine chaotische Dynamik, welche die Gefahr eines neuen unkontrollierbaren Wettrüstens steigert, etablierte Formen und Institutionen für den Umgang mit Konflikten schwächt und die Aussicht auf eine nachhaltige europäische Friedensordnung trübt. Anknüpfend an die Tradition der VDW möchte die Studiengruppe durch Analysen, Stellungnahmen und Veranstaltungen dazu beitragen, die komplexen Konfliktdynamiken besser zu verstehen und daraus konstruktive Schlüsse für eine angemessene Friedenspolitik zu ziehen.
Mitglieder der Studiengruppe
Copyright: Susie Knoll
Publikationen, Stellungnahmen, Diskussionspapiere und Presseerklärungen
Über die Mythenpapiere
Als erstes Projekt setzt sich die Studiengruppe analytisch mit einigen „Mythen der etablierten Sicherheitspolitik“ auseinander. Der mehrdeutige Begriff des Mythos bezeichnet hier zu Gewissheiten geronnene Glaubenssätze. Sie fördern politische Entscheidungen, die von problematisierungs-bedürftigen Voraussetzungen ausgehen. Es ist Aufgabe der Wissenschaft, Annahmen, die politischen Entscheidungen zugrunde liegen, kritisch zu hinterfragen, zu interpretieren und auf ihre Plausibilität hin zu untersuchen. Es ist evident, dass aus fehlerhaften Annahmen auch hochproblematische Entscheidungen resultieren können. Weitverbreitete Mythen können den Weg zu sachgerechtem gesellschaftlichem Diskurs und guter Politik blockieren.
Einige dieser Gewissheiten als Mythen anzusprechen und zu dekonstruieren, um sie auf diese Weise aufbrechen und mithin korrigieren zu können, ist das Ziel, das sich die Studiengruppe gesetzt hat. Konkrete Handlungsempfehlungen stehen demgegenüber zurück. Entwürfe der Papiere wurden in der Studiengruppe umfassend und zum Teil kontrovers diskutiert. Die Verantwortung für die bewusst pointiert gehaltenen Texte liegen jedoch allein bei den AutorInnen.
Die Einzelpapiere des ersten Teils befassen sich mit gängigen Mythen der etablierten Sicherheits- und Friedenspolitik und u.a. mit Themen wie: die kooperative Weltordnung (Lothar Brock), Russland und die europäische Friedensordnung (Sabine Jaberg), die Effektivität robuster Militärinterventionen im globalen Süden (Hans-Georg Ehrhart), die mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr (Michael Brzoska) sowie die aktuelle Relevanz der Rüstungskontrolle (Michael Staack).
Die Beiträge des zweiten Teils thematisieren Mythen der etablierten Sicherheitspolitik, die Ende 2021 zudem in der Zeitschrift „Friedenswarte“ (Vol. 94, Issue 3-4) erschienen sind.