Leitung: Helena Peltonen-Gassmann (Vorständin Mehr Demokratie e. V. Hamburg)

VDW-Symposium „Von den Alpen bis zum Watt“anlässlich des 85. Geburtstags von Hartmut Graßl | 25. September 2025

Einen Beitrag von Helena Peltonen-Gassmann zu diesem Thema finden Sie auch bei Klimareporter°.

Wir können Lösungen finden, wenn wir einander ernst nehmen.

Aus Sicht von Mehr Demokratie war diese interdisziplinäre Zusammenkunft ein bemerkenswerter Baustein auf unserem ruckeligen Weg hin zu der unvermeidbaren Transformation unserer Gesellschaft. Die Atmosphäre beim Symposium war sehr ermutigend und in unserem Workshop zur Demokratie-Fitness haben wir deutlich erlebt, wie gut generationen- und geschlechterübergreifende Zusammenarbeit funktionieren kann.

© Mehr Demokratie Hamburg

Die drei Demokratie-Muskeln

Wir haben drei „Demokratie-Muskeln“ trainiert, die wir bei Diskursen um die zentralen klimarelevanten, interessenverfrachteten Bereiche der Energie, Bauwirtschaft, Landwirtschaft und des Verkehrs benötigen – insbesondere im Umfeld der geopolitischen Fragen zur Sicherheit, Unabhängigkeit und Resilienz.

Starke Stimme

Starke Stimme war der erste Muskel auf unserem Programm. „Ich werde nicht gehört“ oder „Meine Bedürfnisse werden nicht berücksichtigt“ hören wir häufig bei der Kritik um politische Entscheidungsprozesse national und international. In der Tat sind es häufig dieselben Stimmen, die sich Gehör verschaffen. Aber eine starke Stimme ist nicht die lauteste, sondern die Stimme, die ihre Botschaft so überbringen kann, dass sie den Adressaten erreicht – nicht nur akustisch, sondern inhaltlich, glaubwürdig mit ihrer Wichtigkeit und Relevanz – und Wirkung zeigt. Nackte Fakten können dies selten erzielen. Die emotionale, menschliche Ebene ist bei zwischenmenschlichen Interaktionen unverzichtbar.

Prof. Dr. Maren Urner, Neurowissenschaftlerin, Professorin für Medienpsychologie und Pionierin des konstruktiven Journalismus lehrt uns: „Politisch und unser Zusammenlebend betreffend geht es immer um Emotionen,“ und führt fort: „Egal ob jemand ‚Freiheit‘, ‚Sicherheit‘, ‚Wohlstand‘ oder sonst was ruft, geht es darum, wie Menschen sich fühlen oder fühlen möchten.“ [1]

Aktiv zuhören

Deshalb brauchen wir auch die Fähigkeit aktiv zuzuhören, unseren zweiten trainierbaren Demokratie-Muskel. In einer Demokratie werden allerlei Ansichten geäußert. Aber häufig verstehen wir nicht die tieferen Beweggründe anderer Meinungen, versteifen uns beim Austausch von Fakten, Argumenten oder Slogans – und reden aneinander vorbei. Dabei haben wir häufig eine breite gemeinsame Basis, die wir im Streit um die Details gar nicht erkennen. So bejahen mindestens 84% der Menschen in Deutschland und Europa, dass der Klimawandel menschengemacht ist [2]. Mehr als 88% sehen darin ein schwerwiegendes Problem und bis zu 81% erkennen eine persönliche Verantwortung für den Klimaschutz an. Aber nur wenn wir uns füreinander interessieren und aufmerksam zuhören, finden wir die Ebene, auf der wir einander verstehen und vertrauen können.

Kompromisse

Mit den zwei Muskeln haben wir bereits wichtige Voraussetzungen für das Training des Kompromiss-Muskels geschaffen. Denn tragfähige Entscheidungen, Kompromisse und Win-Win-(Win)-Lösungen brauchen die emotionale Komponente, damit alle bereit sind, etwas abzugeben und alle etwas abbekommen. Häufig setzen wir uns in Verhandlungen unbemerkt für unsere gewohnten Vorlieben ein. Bei einem aufmerksamen Austausch ist es z. B. möglich eine Lösung zu finden, die ein tiefes Bedürfnis einer Partei erfüllt, die bei (einem) anderen lediglich eine Umstellung einer Gewohnheit erfordert. Dies mag sich gar nicht wie ein Verlust anfühlen, insbesondere wenn man dafür etwas anderes bekommt.

Diese Fertigkeiten können alle im Alltag gut gebrauchen. Sie gelten im privaten und öffentlichen Raum, in der Schule, Uni, am Arbeitsplatz und im politischen Diskurs. Je mehr wir diese Muskeln trainieren, einander ernst nehmen, desto leichter können wir Lösungen finden, die wir uns alle so sehr erhoffen. Sie können unsere Demokratiekultur verändern.

Im Demokratiefitness-Workshop haben wir gelernt, wie man in demokratischen Verhandlungsprozessen die eigene Meinung formuliert und Kompromisse schließt.

– Schülerin des Camerloher-Gymnasiums Freising

Autorin: Helena Peltonen-Gassmann

[1] SRF Kultur (2024). Wie politisch sind Gefühle, Maren Urner?. Sternstunde Philosophie: https://www.youtube.com/watch?v=oue6zdCxH30

[2] Eurobarometer (Mai 2025). Climate Change: https://europa.eu/eurobarometer/surveys/detail/3472