Der digitale Workshop am 19. März beschäftigte sich mit den Grundlagen des Themas Whistleblowing. Bernd Hahnfeld, Gerhard Baisch und Hartmut Graßl referierten über den Whistleblower Preis, die Preisträgerin Brigitte Heinisch sowie das Hinweisgeberschutzgesetz. In der anschließenden Diskussion hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit weitere Facetten der Thematik zu erörtern.
Zu Beginn des Workshops gab Bernd Hahnfeld einen Überblick über das Thema Whistleblowing allgemein und die Geschichte des Whistleblower Preises, den die VDW gemeinsam mit der IALANA an 18 Preisträger:innen vergeben hat. Er stellt klar, dass es sich bei Whistleblowing um „kritisches, abweichendes Verhalten von Beschäftigten“ handelt. Genauer lässt sich über Whistleblower:innen sagen, dass sie aus gemeinnützigen Motiven gegen ungesetzliche, unlautere oder ethisch zweifelhafte, die Allgemeinheit schädigende oder gefährdende Praktiken, die ihnen innerhalb ihrer Betriebe oder Dienststellen bekannt geworden sind, handeln. Entweder opponieren sie gegen diese, durch betriebsinterne Kritik, das Drängen auf Abhilfe, die Verweigerung der Mitarbeit oder die Bekanntmachung nach außen. Bernd Hahnfeld erläuterte die vier Kriterien um als Whistleblower:in zu gelten:
- Brisante Enthüllungen gravierenden Fehlverhaltens, schwerwiegender Missstände oder Fehlentwicklungen
- Alarmschlagen intern – öffentlich
- Uneigennützig zum Schutze wichtiger Rechtsgüter
- Inkaufnehmen erheblicher Risiken und Nachteile für berufliche Karriere und persönliche Existenz
Diese Kategorien legte auch die Jury für den Whistleblower-Preis bei ihrer Begutachtung zu Grunde. Der Preis wurde an folgende Personen vergeben:
Gerhard Baisch beleuchtete zunächst den Lebensweg von Brigitte Heinisch, Whistleblower-Preisträgerin 2007, die Anfang der 2000er Jahre einen Skandal in der Altenpflege aufdeckte: die strukturelle Unterbesetzung von Pflegekräften sowie die Falschabrechnung von Leistungen durch ihren Arbeitgeber. Nachdem sie wegen Verdachts auf Initiierung eines Flugblatts gekündigt wurde, führte ihr Kampf um Gerechtigkeit zu einem langwierigen Rechtsstreit mit ihrem damaligen Arbeitgeber Vivantes GmbH. Unter anderem wurde der Fall vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verhandelt.
Weiterhin sprach Gerhard Baisch über die Entstehung und die Grundzüge des Whistleblower-Schutzgesetzes in Deutschland. Er zeigt den mühsamen Weg auf, den dieses Gesetz bis zu seiner Verabschiedung im Bundestag im Jahr 2023 gegangen ist. Er kritisiert jedoch auch große Schwachstellen des Gesetzes, wie die Ausklammerung von als geheim klassifizierten Dokumenten, dem gesamten Militär sowie den unzureichenden Schutz bei Veröffentlichung über Medien. Von den 18 Preisträger:innen hätten 11 unter dem neuen Gesetz keinen Whistleblowerschutz in Deutschland beanspruchen können.
Er stellt die Frage, ob das Gesetz „zum Schutz von Whistleblowern oder zum Schutz vor Whistleblowern“ ist.
Hartmut Graßl schloss die Reihe der Inputs ab, indem er darauf aufmerksam machte, dass die Preisträger:innen des Whistleblower Preises im Zuge der letzten Publikation befragt wurden, ob sie den Preis im Nachhinein als etwas positives empfinden und sich durch die Preisverleihung etwas positiv in ihrem Leben verändert hat. Die Antwort auf diese Frage war „ja“. Denn laut der Preisträger:innen haben die Medien, von dem Moment an, angefangen für die Whistleblower:innen zu agieren, während sie vorher häufig gegen sie eingestellt waren. Für viele Preisträger:innen, war dies der Wendepunkt, ab dem zum ersten Mal ein großer Teil der Öffentlichkeit positiv über ihren Fall informiert worden ist. An dieser Stelle dankt er Dieter Deiseroth, ohne den die Whistleblower-Preise nicht umgesetzte hätten werden können. Außerdem stellt Hartmut Graßl klar, dass die Enthüllungen durchaus an verschiedenen Stellen auch konkrete Verbesserungen erwirkt haben und dass er hofft, in Zukunft noch mehr dieser Entwicklungen beobachten zu können.
In der anschließenden Diskussion ging es zum einen um die Frage, ob Unternehmensphilosophien und Konzernstrukturen, nicht genauso überdacht und verändert werden müssten, wie Gesetzestexte, da kapitalistische Profitorientierung in den allermeisten Fällen einem ethisch-korrektem Verhalten, dessen Abstinenz die Notwendigkeit für Whistleblower:innen darstellt, im Wege steht. Bernd Hahnfeld betonte als Antwort, dass es sehr wichtig sei, die Gemeinschaft wieder stärker in den Vordergrund zu rücken und ethische dabei vor Profitorientierte Gründe treten zu lassen. Er stellte klar, dass dies ein sehr motivierender Punkt sei um in diesem und anderen Feldern weiterzuarbeiten und sich positiv einzubringen. Außerdem wurde der Umgang verschiedener Länder mit Whistlerblower:innen verglichen, besonders mit einem Fokus auf die USA und England im Vergleich zu Deutschland. Die Diskussion lief zusätzlich anhand der Frage ab, wo eine Linie zwischen Verantwortung nach innen und Verantwortung nach außen im Kontext des Whistleblower-Themas gezogen werden kann. Abschließend durfte natürlich auch der Themenblock Medien nicht fehlen, denen im Whistleblower-Kontext eine große Wichtigkeit zugesprochen werden kann, die sich aber in der Spannbreite von „von Whistlerblower:innen gesuchtem Veröffentlichungsorgan“ bis Verfolgungsorgan bewegen können.