Am 22. November ging es weiter mit unserer digitalen Veranstaltungsreihe „Jung und Alt bewegt: Klima, Umwelt, Gesellschaft – Impulse aus der Wissenschaft in Zeiten von Corona“ anlässlich des 80. Geburtstags von Prof. Hartmut Graßl. Diesmal sprach der Hirnforscher und Gründer des Instituts für Medizinische Psychologie an der LMU München Prof. Ernst Pöppel zum Thema: „Je älter desto besser: Überraschende Erkenntnisse aus der Hirnforschung“. Natürlich war auch Prof. Hartmut Graßl wieder digital dabei.
In unserem Workshop mit Prof. Ernst Pöppel haben wir uns dem Alter aus einer neuen Perspektive genähert. Der anerkannte Hirnforscher nahm uns mit auf eine Reise durch zwölf verschiedene Aspekte unseres Lebens und unseres Gehirns. Er erklärte uns, wie sich unser Denken in der zeitlichen Dimension verändert, anpasst und neu strukturiert. „Je älter desto besser“ schien zu Beginn ein sehr kontroverses Thema zu sein, wo wir doch wissen, dass wir im Alter zunehmend mit Vergesslichkeit, Verlangsamung und Neurobelastungen wie Alzheimer, Schlaganfällen oder Depressionen zu kämpfen haben. Aber – manche dieser „negativen“ Entwicklungen können wir für uns nutzen und etwas Positives darin finden.
Wenn wir mit fortschreitendem Alter langsamer werden und unser Leben entschleunigen, dann verändern sich auch kognitive Zeitfenster, in welchen wir Informationen sammeln und weiterverarbeiten. Je länger die Zeitfenster sind, umso mehr Informationen können auf einmal gesammelt werden. Wir können Komplexität von Prozessen und unserer Umwelt besser reduzieren und Gründlichkeit in unserem Handeln wahren. Auch wird unser Leben entschleunigt und unsere Kraft und Ausdauer nehmen ab. Aber wir erlangen im Laufe unseres Lebens immer mehr Weisheit durch Wissen und Erfahrung. Die körperliche Kraft wird weniger relevant, wenn wir vorausschauende Entscheidungen treffen und durchdacht handeln können.
Dass wir mit dem Alter weiser werden, liegt auch daran, dass wir im Leben immer wieder Scheitern. Das ist zwar für niemanden angenehm, aber nur so können wir uns weiterentwickeln, unsere Grenzen testen und uns selbst besser kennenlernen. Je älter wir sind, umso häufiger sind wir im Leben schon gescheitert und umso besser sind wir uns selbst und unserer Grenzen bewusst. Aber auch wenn wir älter werden, sollten wir nicht aufhören, uns neue Ziele zu setzen. Neugierde hält unser Gehirn fit. Gleichzeitig sollten wir einen konsistenten Tagesablauf beibehalten und Rituale pflegen, um die innere Uhr und den 24 Stunden Tagesrhythmus nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Leben wir synchron mit dem Tag, kann das unseren Schlaf-Wach-Rhythmus verbessern und sich positiv auf unsere Gesundheit auswirken.
Auch in Spiritualität, Schönheit und Ästhetik, Gegenwart und historische Gegenwart oder Ich-Ferne und Ich-Nähe hat uns Prof. Pöppel einen Einblick verschafft. Im Ende lässt sich jedoch nicht endgültig sagen, ob ein Junges Gehirn oder ein Altes „besser“ ist. Klar ist nur, dass sich unsere Stärken im Laufe des Lebens verändern. Wenn wir unser Verhalten, unser Denkmuster, unsere Rituale ans älter werden anpassen, dann können wir, egal wie alt wir sind, immer das Beste aus uns und unserem Gehirn herausholen.
Der Ehrengast Prof. Hartmut Graßl stand dem Thema „Je älter desto besser“ zu Beginn sehr skeptisch gegenüber. In seinem Abschlusskommentar revidierte er jedoch seine anfänglichen Zweifel. Bislang war er der Ansicht, dass das Älter werden bis zu einem gewissen Zeitpunkt noch mit Erfahrung zu kompensieren ist und dann ein unaufhaltsamer Abstieg beginnt. Durch den Vortrag von Prof. Pöppel wurde er jedoch zum Nachdenken angeregt und ist zu dem Schluss gekommen, dass für ihn manche Dinge in seinem jetzigen Alter besser funktionieren als früher. Beispielsweise hat er (auch durch den Beitritt in die VDW) gelernt, dass es eine Bereicherung ist, mit anderen Wissenschaftsbereichen konfrontiert zu werden, , neues Wissen zu erlangen und auch Themen außerhalb des eigenen Fachgebietes zu kommentieren. Denn – man hat immer die Chance noch etwas Besseres aus dem zu machen, was man hat.