Die Zeit ist reif für die Wahrheit

Hinweisgebende (englisch: whistleblower), die Missstände wie Menschen- oder Tierrechtsverletzungen, Umweltkriminalität, Korrup-tion,  oder Datenmissbrauch aus geheimen oder geschützten Informationsquellen aufdecken und öffentlich machen, sind für den Erhalt einer offenen, pluralistischen und transparenten Gesellschaft besonders wichtig. Dennoch sind Whistleblower:innen auch in Deutschland Opfer von Repressalien wie Mobbing, Abmahnungen, Disziplinarverfahren oder Kündigungen ausgesetzt. Zur Ehrung mutiger Hinweisgebenden wird daher seit 1999 alle zwei Jahre der Whistleblower-Preis gemeinsam von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. (VDW) und der IALANA Deutschland – Vereinigung für Friedensrecht gestiftet. In der neuen Publikation „20 Jahre Whistleblower-Preis“ wird der Frage nach-gegangen, wie sich der couragierte Akt der Preisträger:innen auf deren Leben sowie die Gesellschaft ausgewirkt hat.

Im Buch „20 Jahre Whistleblower-Preis“ wird der couragierte Weg folgender Whistleblower:innen nachverfolgt:

Martin Porwoll und Maria-Elisabeth Klein (ausgezeichnet 2017)

Martin Porwoll und Maria-Elisabeth Klein erhalten den Whistleblower-Preis für ihre im Herbst 2016 erfolgten Verdachts-Enthüllungen über die in der „Alten Apotheke“ in Bottrop jahrelang praktizierte illegale Panscherei mit Anti-Krebsmitteln (Zytostatika). Dadurch wurden mehrere Tausend schwer- und oft todkranker Krebspatient:innen in fünf oder sechs Bundesländern geschädigt.

Dr. Can Dündar (ausgezeichnet 2017)

Dr. Can Dündar, seinerzeit Chefredakteur der türkischen Zeitung „Cumhüriyet“, erhält den Whistleblower-Preis für seine Ende Mai 2015 und danach unter schwierigsten Repressionsbedingungen in der Türkei erfolgten Enthüllungen über ein illegales sogenanntes Staatsgeheimnis des autoritären Erdoğan-Regimes. Gegenstand war die Anfang 2014 unter Verstoß gegen geltendes Völkerrecht unternommene Lieferung von Waffen und militärischer Ausrüstung nach Syrien an terroristische Dschihadisten durch den Geheimdienst MIT des NATO-Mitgliedsstaates Türkei.

Brandon Bryant (ausgezeichnet 2015)

Brandon Bryant war in den Jahren 2006 bis 2011 bei der US Air Force als Drohnenpilot im Einsatz. Er deckte als Insider ab Dezember 2012 in zahlreichen Interviews auf, wie der globale Drohnenkrieg geführt wird. Er hat dabei öffentlich – für Deutschland besonders bedeutsam – auch die zentrale Funktion der Relaisstation und des „Air and Space OPs Center (AOC)“ in der US-Air-Base Ramstein enthüllt, ohne die das gesamte Programm in dieser globalen Dimension nicht durchführbar wäre.

Professor Dr. Gilles-Eric Séralini (ausgezeichnet 2015)

Professor Dr. Gilles-Eric Séralini hat als Wissenschaftler an der Universität Caen bei einem zweijährigen Fütterungsversuch mit Ratten als erster die Giftigkeit und die tumorauslösende Wirkung des weltweit am häufigsten verwendeten Herbizids, des glyphosatbasierten „Roundup“, im Tierversuch festgestellt.

Dr. Léon Gruenbaum (ausgezeichnet 2015)

2015 wurde erstmals ein Posthum-Whistleblower-Ehrenpreis vergeben. Der deutsch-französische Physiker Dr. Léon Gruenbaum protestierte am Kernforschungszentrum Karlsruhe als NS-Verfolgter gegen rassistische und NS-affine Äußerungen dortiger NS-belasteter Leitungspersonen und wurde im Gefolge dieser Konflikte nicht weiterbeschäftigt.

Edward J. Snowden (ausgezeichnet 2013)

Als Mitarbeiter der National Security Agency (NSA) hat Edward J. Snowden die massenhafte und verdachtsunabhängige Ausforschung und Speicherung von E-Mails, IP-Adressen, Telefon- und an- deren Kommunikationsdaten durch den US-Geheimdienst sowie andere westliche Geheimdienste öffentlich gemacht.

Dr. Rainer Moormann (ausgezeichnet 2011)

Dr. Rainer Moormann hat während seiner langjährigen Arbeit in dem heutigen Forschungszentrum Jülich GmbH beharrlich die bis dahin unumstrittene Sicherheit der Kugelhaufentechnik in Atomkraftwerken hinterfragt. Aufgrund seines Engagements konnte der Export der Technik nach Südafrika verhindert werden.

Chelsea Manning (ausgezeichnet 2011)

Chelsea Manning hat, damals noch anonym, im April 2010 ein Video auf WikiLeaks veröffentlicht, welches ein schweres Kriegsverbrechen US-amerikanischer Soldat:innen im Irak dokumentiert. Das unter dem Namen „Collateral Murder“ bekannte Video zeigt die gezielte Tötung von mindestens sieben Zivilpersonen durch die Besatzung eines US-Kampfhubschraubers am 12.7.2007 im Irak und dokumentiert die menschenverachtenden Begleitkommentare der Täter:innen.

Rudolf Schenger und Frank Wehrheim (ausgezeichnet 2009)

Als Steuerfahnder bei dem Frankfurter Finanzamt V deckten Rudolf Schenger und Frank Wehrheim unlauteres Vorgehen von Banken auf, bis ihre Arbeit von höherer Seite behindert wurde. Per „Amtsverfügung“ wurden ihnen Kompetenzen entzogen und als sie das intern kritisierten, mussten sie die Steuerfahndung nach einem langen Prozess von Einschüchterung, Disziplinarverfahren und vorzeitiger Pensionierung verlassen.

Dr. Liv Bode (ausgezeichnet 2007)

Dr. Liv Bode hat mit Beharrlichkeit und ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein versucht, den Verdacht der Kontamination von Blutplasma-Spenden mit infektiösen Bestandteilen von Bornaviren im Bereich der Infektionsforschung am Robert Koch-Institut einer Klärung näher zu bringen. Allein der Ausdauer und dem wissenschaftlichen Engagement von Liv Bode ist es zu verdanken, dass das öffentliche Interesse an dieser brisanten wissenschafts- und gesundheitspolitischen Frage geweckt wurde – und wach bleibt.

Brigitte Heinisch (ausgezeichnet 2007)

Brigitte Heinisch war viele Jahre Altenpflegerin in einer Berliner Pflegeeinrichtung mit zirka 160 Pflegeplätzen. Sie konnte sich mit den dortigen Bedingungen bei der Pflege und Betreuung alter und hilfebedürftiger Menschen nicht abfinden. Sie entschloss sich deshalb zum Whistleblowing. Deswegen wurde sie gemaßregelt. Ihr Arbeitgeber sprach drei Entlassungen aus.

Theodore A. Postol (ausgezeichnet 2005)

Der Physiker Theodore A. Postol vom renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Camebridge, USA, kritisiert seit Jahren das amerikanische Raketenabwehrprogramm (GMD) und bezichtigt in diesem Zusammenhang das Lincoln Laboratory des MIT des Wissenschaftsbetrugs sowie das MIT selbst der Vertuschung. Postol äußert seine wissenschaftliche Kritik und seine Warnungen sowohl in Fachkreisen wie auch in den Medien.

Árpád Pusztai (ausgezeichnet 2005)

Der Biochemiker Árpád Pusztai leitete in den 1990er Jahren ein dreijähriges, regierungsfinanziertes Großprojekt am Rowett Research Institute, Aberdeen. Er stellte bei Fütterungsversuchen mit gentechnisch veränderten Kartoffeln an Ratten Schäden am Immunsystem und Wachstumsstörungen verschiedener Organe fest und machte diese gänzlich unerwarteten Beobachtungen öffentlich – aus Besorgnis über eine mögliche Zulassung gentechnisch veränderter Nahrungsmittel. Das führte zu seiner sofortigen Entlassung.

Daniel Ellsberg (ausgezeichnet 2003)

Daniel Ellsberg hat Anfang der 70er Jahre die „Pentagon-Papers“ zur jahrzehntelangen Verstrickung der USA in den Vietnam-Krieg an die Presse gegeben. Er selbst hatte als Wissenschaftler an der Zusammenstellung dieser streng vertraulichen Dokumentation im US-Verteidigungsministerium mitgearbeitet. Die Nixon-Regierung reagierte seinerzeit mit massiven Eingriffen in die Pressefreiheit und der persönlichen juristischen Verfolgung Ellsbergs, um zu verhindern, dass das Ausmaß von Lüge und amtlicher Täuschung der amerikanischen Öffentlichkeit bekannt würde. Damit trug Ellsberg maßgeblich zu der Beendigung des Krieges bei.

Dr. Magrit Herbst (ausgezeichnet 2011)

Die Tierärztin Dr. Magrit Herbst hegte bereits in den frühen 90er Jahren im Rahmen ihrer Tätigkeit den Verdacht auf BSE an einem schleswig-holsteinischen Rinderschlachthof. Sie äußerte diesen öffentlich, nachdem sie intern kein Gehör gefunden hatte. Dies führte zu ihrer Entlassung aus dem öffentlichen Dienst.

Alexander Nikitin (ausgezeichnet 1999)

Der ehemalige Kapitän der sowjetischen Marine Alexander Nikitin prangerte öffentlich die verwahrlosten Atommüllplätze und die unzureichende atomare Sicherheit bei den U-Booten der russischen Nordflotte an. Endgültiges Gehör fand er erst, als das U-Boot „Kursk“ aufgrund eines technischen Defekts unterging.

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