Überraschend ist am 4. Februar 2023 das VDW-Mitglied Dr. Dirk-Michael Harmsen im Alter von 88 Jahren verstorben.

Dirk-Michael Harmsen wurde 1934 geboren, war studierter Physiker und schrieb seine Dissertation an der Universität Hamburg im Bereich Elementarteilchenphysik. Er arbeitete von 1956 bis 1968 am Enrico-Fermi Institut in Chicago, später am CERN in Genf (1968-1973) und war ab 1973 am Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung in Karlsruhe tätig. Von 1999 bis 2006 arbeitete er selbstständig als internationaler Berater für Forschungs- und Innovationssysteme mit Aufträgen in Belgien, Indonesien, Bulgarien und Ägypten.

Als Student wurde er in Hamburg 1954 „Gesamtdeutscher Referent des Asta“ und gründete 1958 mit Gleichgesinnten eine Arbeitsgruppe, die das für die damalige Zeit wegweisende Fischer-Taschenbuch „Kernexplosionen und ihre Wirkungen“ (1961) erarbeitete, das von einem Vorwort von C.F. von Weizsäcker eingeleitet wurde. Auf wissenschaftlicher Basis erklärte dieses Buch, erstmalig für die deutsche Öffentlichkeit nachvollziehbar, die fatale Wirkung von Kernwaffen und die geringen Schutzmöglichkeiten. In der Folgezeit befasste sich Harmsen mit Zivilschutz und den Atomgefahren.

Am Ende der 1980er Jahre widmete er sich wieder aktiv der Friedensarbeit, später auch dem Naturschutz und der Friedensbildung.  Er war ehrenamtlich in der badischen Landeskirche tätig, hat im Jahre 2000 das Forum Friedensethik in der evangelischen Landeskirche mitbegründet und sich bis zuletzt für die Unterstützung der EKD für weltweite Abrüstung und den Atomwaffenverbotsvertrag eingesetzt.

Der Friedenstheologe Theodor Ziegler fasst sein Engagement treffend wie folgt zusammen: „Seine Friedensarbeit, in einem die Gerechtigkeit (auch für Palästina) und die Schöpfungs-bewahrung einschließenden Sinne, praktizierte er mit einer bewundernswerten Freundlichkeit, Sachlichkeit, Präzision und Nachhaltigkeit.“

Er hat wichtige Schriften mit herausgegeben wie: „Weltinnenpolitik und Internationale Polizei“ (2023) und hat das Szenario „Sicherheit neu denken. Von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik – ein Szenario bis zum Jahr 2040“ (2018) mit verfasst. Der Wissenschaftler war Mitbegründer der Kampagne „Sicherheit neu denken“, bei der Lösungen durch Friedensarbeit formuliert wurden und die Verfasser konstruktiv für eine Transformation der militärischen zu einer zivilen Sicherheitspolitik eintraten.

Für sein „unermüdliches und selbstloses Engagement für Frieden und Umweltschutz“ erhielt Dirk-Michael Harmsen 2022 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Sein beeindruckendes Wirken zeigt auf, dass er als ausgebildeter Kernphysiker sehr früh Mitverantwortung für die Wirkungen der Wissenschaft im menschlichen Leben übernommen und stets zur sachlichen Aufklärung der Öffentlichkeit beigetragen hat. In der VDW-Studiengruppe „Frieden und Europäische Sicherheit“ war Dirk-Michael Harmsen eine stets konstruktive Friedenskraft, die die Positionen der Zivilgesellschaft zielgerichtet und engagiert einbrachte.

Die VDW verliert mit ihm ein wichtiges und aktives Mitglied, dessen Engagement in die Frühzeit der VDW zurückgeht und das bis zuletzt die Debatten in der VDW eindrucksvoll mitgeprägt hat.

Die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler trauert um Dirk-Michael Harmsen und wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

Profilbild von Dirk-Michael Harmsen
  • ein Beitrag von:

    Götz Neuneck, Co-Vorsitzender der VDW

    Ute Finckh-Krämer, Mitglied der Studiengruppe Europäische Sicherheit und Frieden der VDW